Mein ungezähmtes Herz
sie sitzenlassen?«
»Nein, selbstverständlich nicht. Er meint … ach, egal. Hier – binden Sie das zu.« Während Miss Jennings mit zitternden Fingern gehorchte, setzte Deliah noch hinzu:
»Und machen Sie sich keine Sorgen – ich nehme die Sachen.«
Der jungen Modeschöpferin schien ein Stein vom Herzen zu fallen, und ihre Finger beruhigten sich.
Kaum war Deliah wieder geschnürt, griff sie nach ihrem Umhang. Noch während sie ihn überwarf, hörte sie einen gedämpften Schrei.
Sie schnappte ihren Pompadour, rannte zum Fenster und schaute nach draußen. Die Straße schien leer zu sein, doch der Bürgersteig direkt vor dem Geschäft war nicht zu erkennen; ein Vordach versperrte die Sicht. Alles, was sie zu sehen bekam, war ein wüstes Durcheinander von Schultern und Armen.
Deliah drehte sich auf dem Absatz um und rannte eilig die Treppe hinunter. Dabei zog sie ihren Umhang gerade und fummelte an den Knöpfen herum.
Als sie mit klopfendem Herzen – was war da draußen los? – fast unten angekommen war, ging plötzlich die Tür auf.
Atemlos schaute Deliah auf.
Del ragte vor ihr auf.
Sie versuchte noch, ihren Vorwärtsdrall zu bremsen, doch ein Absatz verfing sich in ihrem Umhang, sodass sie die Balance verlor und vornüber fiel.
Direkt auf ihn zu.
Hastig trat er einen Schritt vor, um ihren Sturz abzufangen, hörte die Tür, die er losgelassen hatte, noch hinter sich zuschlagen, da landete Deliah schon an seiner Brust, und all seine Sinne konzentrierten sich schlagartig – heißhungrig, gierig – auf sie.
Auf die üppigen, unverkennbar weiblichen Rundungen, die sich an ihn drückten.
Ihre aufreizende Wärme.
Das Gesicht mit den weit aufgerissenen jadegrünen Augen.
Und die leuchtend roten, prallen, leicht geöffneten Lippen …
Da sie noch auf der Treppe gewesen war, befanden sie sich
nun auf Augenhöhe, die verführerischen Lippen direkt vor seinen.
Die Lippen bewegten sich und formten Worte.
»Was ist passiert? Sind Sie in Ordnung?«
Deliah packte ihn an den Armen. Und als er die Augen hob und in ihre schaute, sah er, dass sie ihn durchdringend, fast verzweifelt, musterte – deutliche Sorge im jadegrünen Blick.
Sie mochte ihn.
Es war Jahre her, dass eine Frau ihn so angesehen hatte.
Wieder bewegten sich ihre Lippen. Dann fasste sie fester zu und versuchte, ihn zu schütteln.
»Sind. Sie. Verletzt?«
Er war angeschlagen, so viel war klar, aber nicht durch einen Fausthieb.
Deliah holte tief Luft, ihre verführerischen Lippen öffneten sich erneut – und Del wurde bewusst, dass er antworten musste. Also gab er sich einen Ruck. Und tat das, was er tun musste.
Er senkte den Kopf und verschloss die rubinroten Lippen mit seinen.
Küsste sie, aber nicht wie eine wohlerzogene junge Dame, sondern so, wie er die Verführerin hatte küssen wollen, die ihn in der letzten Stunde so gereizt hatte.
Ihre Lippen waren bereits geöffnet gewesen. Also bemächtigte er sich ihres Mundes, ohne groß um Erlaubnis zu bitten, überrumpelte sie einfach und eroberte sie …
Tauchte tief ein und verlor sich.
In einem Kuss, der zu heftig war, um entschuldigt zu werden, zu leidenschaftlich und gierig, um jemals in Vergessenheit zu geraten.
Zu intensiv, um schnell und gekonnt zu Ende gebracht zu werden.
Seine Arme schlossen sich um Deliah und pressten sie an seine Brust – wo sie hingehörte. Ihre Hände legten sich auf seine Schultern, in sein Haar.
Er spürte – ganz genau – in welchem Augenblick sie nachgab, sich dem unvernünftigen Verlangen hingab, das in ihren Adern pochte.
Und in seinen.
Der Drang war so stark, dass Deliah nicht widerstehen konnte; sich nicht freimachen, zurücktreten und in Sicherheit bringen wollte. Stattdessen ließ sie ihm freien Lauf.
Berauschte sich an Dels heißem, fordernden Mund und den verwirrenden Gefühlen, die sich diesen überraschenden Moment ausgesucht hatten, um sich zu entladen – dem Verlangen, das sich im Laufe der letzten Stunde angestaut hatte und von ihnen beiden bewusst angefacht, nun mit einem Mal hell aufloderte.
Dann küsste sie ihn zurück, leidenschaftlich, hitzig, wunderbar provozierend und befreit von allen Zwängen.
Verführerisch, eifrig und erwartungsvoll.
Und Del schürte ihre entfesselte Glut, konnte gar nicht genug bekommen.
Aber … es war die falsche Zeit und der falsche Ort.
Ein letzter Rest von Verstand sagte ihm das. Widerstrebend zwang er sich zum Rückzug, der ihm nur gelang, indem er sich damit tröstete, dass er am Ende
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