Mein ungezähmtes Herz
noch viel mehr bekommen würde, wenn er es schaffte, seine Gier zu zügeln, und indem er sich ausmalte, was er eines Tages mit Deliah anstellen würde. Dann, wenn sie – zur rechten Zeit und am rechten
Ort – seinen Hunger weckte und wieder stillte, so lange, bis er vollkommen befriedigt war – eine Belohnung, die für ihn bereits felsenfest stand.
Als er den Kopf hob und in ihre verschleierten jadegrünen Augen blickte, ihren seltsam leeren und entrückten Gesichtsausdruck sah, war er hochzufrieden.
Endlich hatte er eine sichere Methode gefunden, diese willensstarke Frau zu lenken.
Sie zu zähmen und in sein Bett zu locken …
Ein Räuspern riss ihn aus den angenehmen Träumen, die im Wesentlichen darum kreisten, wie schön es sein würde, Deliah unter sich liegen zu haben. Als Del aufblickte, sah er, dass Madame und ihre Assistentin oben an der Treppe standen und sie verblüfft anstarrten.
»Packen Sie die Kleider zusammen – alle, die sie anprobiert hat – und schicken Sie sie ins Grillon’s, an Miss Duncannon. Die Rechnung geht an mich, unter derselben Adresse.«
Madame begann zu strahlen und knickste erfreut.
»Danke, Colonel. Miss Duncannon. Sie werden nicht enttäuscht sein.«
In der Hinsicht war Del sich sicher. Er hatte bereits Pläne für dieses blassgrüne Kleid.
Er schaute auf Deliah hinunter und stellte sie auf die Füße.
Sie klappte den Mund auf, doch ehe sie etwas sagen konnte, fragte er:
»Kann es weitergehen?«
Der kaum verhohlene Triumph in seiner Stimme ließ sie verstört blinzeln.
Als ihr wieder einfiel, warum sie so schnell die Treppe heruntergelaufen
war, schluckte sie und nickte stumm. Sie war nicht ganz sicher, ob sie ihre Stimme unter Kontrolle hatte.
Doch nachdem Del sie nach draußen geführt hatte – wo alles normal und friedlich zu sein schien – und sie es geschafft hatte, in dem immer stärker werdenden Wind ihren Umhang zuzuknöpfen, den Pompadour und die Handschuhe überzustreifen und bei ihm untergehakt die ersten Schritte zu tun, hatte ihr Verstand wieder so weit zu arbeiten begonnen, dass sie sich fragte, ob er sie nicht zum Teil auch deswegen geküsst haben mochte, weil Madame zugesehen hatte.
Das erschien ihr zwar selbst ziemlich weit hergeholt, doch wenn es ihm nicht darum gegangen war, das Rollenspiel auf die Spitze zu treiben, wollte sie seinen Beweggrund lieber nicht wissen.
Und nicht weiter darüber nachgrübeln, was geschehen war oder noch geschehen könnte.
Der Schock über ihr eigenes Verhalten saß schon tief genug – wie schamlos ihr wahres Ich, das sie vor Ewigkeiten weggesperrt und mittlerweile für tot gehalten hatte, wieder zum Vorschein gekommen war.
Del hatte das Böse in ihr wiedererweckt. Sie musste auf der Hut sein; sie konnte nicht nach all diesen Jahren scheinbar geläutert nach England zurückkehren, nur um gleich beim ersten attraktiven Mann, der ihr über den Weg lief, erneut über ihre Lasterhaftigkeit zu stolpern.
Auch wenn er äußerst attraktiv war. Trotzdem …
Del war nach unzähligen Jahren der erste Mann, der sie geküsst hatte, zumindest auf diese Weise – eigentlich war sie überhaupt noch nie so geküsst worden.
Deliah blinzelte und schüttelte insgeheim den Kopf über
sich. Sie schaute die Straße hinunter – doch vor ihrem geistigen Auge sah sie Dels Lippen.
Sie musste sich wieder auf die Gegenwart konzentrieren. Auf das, was er gerade gesagt hatte …. Deliah runzelte die Stirn.
»Ich kann mir von dir keine Kleider schenken lassen. Das gehört sich nicht.«
Del sah sie von der Seite an, doch sie mied seinen Blick.
»Was soll ich denn damit anfangen? Du könntest sie mir wenigstens abnehmen. Noch besser wär’s, wenn du sie als Bezahlung für deine Hilfe bei der Jagd auf die Schwarze Kobra betrachtest. Glaub mir«, Dels Ton wurde härter, »das ist mehr wert als diese kleine Summe.«
»Wenn das so ist, kannst du mich auch selbst bezahlen lassen – ich habe genug Geld, um mich einzukleiden.«
»Darum geht es doch gar nicht. Ich kann nicht zulassen, dass du die Requisiten für unsere kleine Scharade bezahlst. Schließlich geht es um meine Mission, nicht um deine. Und ich trage die Verantwortung, nicht du.«
Die letzten beiden Punkte würde er wohl noch oft betonen müssen. Auf vielerlei Weise.
Deliah grummelte:
»Ich kann nicht verstehen, warum diese Abendkleider nötig sein sollten.«
»Oh, das sind sie. Glaub mir, das sind sie.« Die Kleider – und die Vorstellung, sie bald darin zu sehen –
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