Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Damals kam mir das aber nicht so vor. Ich hatte einen Mann vor mir, der sich seiner selbst absolut sicher war. Ich sagte ihm, ich fände sein Angebot interessant und wäre bereit, es zu versuchen. Das sei für mich nicht zuletzt auch eine Frage der Moral, weil ich meine Selbstachtung verlieren würde, wenn ich in einer Situation, in der er ›unter Beschuss‹ stünde, eine Zusammenarbeit mit ihm ablehnte. Ich bat ihn allerdings, mir zu erklären, was eigentlich vorging. Darauf redete er, in diesem sehr schroffen Ton eines Menschen, der nicht daran zweifelt, dass er im Recht ist und siegen wird, sie würden ›einen Krieg gegen die Silowiki im Kreml führen‹, wobei er Putin nicht erwähnte, es ging vielmehr um die ›Silowiki in seinem Umfeld‹. Er sagte, der Chef der Administration, Woloschin, würde sie dabei unterstützen. Kurzum, unsere Sache ist eine gerechte Sache, und wir werden siegen. Und das Ziel sei ein Sieg im Jahre 2008. Er sprach nicht direkt aus, was ein ›Sieg‹ bedeutete, aber es war offensichtlich, dass er eine Machtübernahme meinte, vielleicht nicht seine eigene, aber die ›seiner Leute‹. Das hat mich enorm beeindruckt. Mir schien, dass da vielleicht etwas dran sein könnte. Damals kam mir das nicht utopisch vor.
Dann aber überschlugen sich die Ereignisse mit solcher Geschwindigkeit, dass sich dieser naive Glaube innerhalb weniger Wochen in Luft auflöste. Schon Ende September hatte ich keinerlei Illusionen mehr – die Lage eskalierte, es gab Hausdurchsuchungen, Unterlagen wurden beschlagnahmt und Leute zum Verhör vorgeladen. Dann begannen immer mehr Leute zu verschwinden. Wir waren dabei, einen Businessplan für die Zeitung zu erarbeiten, aber diejenigen, mit denen wir darüber reden sollten, verschwanden einfach einer nach dem anderen. Du rufst jemanden an und kriegst zu hören: Tut mir leid, der ist nach London gefahren.
Ich habe später darüber nachgedacht, warum er so sicher auftrat. Es gibt zwei Möglichkeiten. Version eins: Ja, zu diesem Zeitpunkt glaubte er an das, was er sagte, und Woloschin bestärkte ihn noch darin und machte ihm etwas vor. Version zwei: Chodorkowski war in gewissem Sinn einfach ein guter Schauspieler und trat so auf, um seinem Team, seinem Umfeld in einer bestimmten Phase die Zuversicht zu vermitteln, dass alles gut werde und dass ihre Sache eine gerechte Sache ist.«
Wassili Schachnowski: »Anfang September hofften wir noch, Platon da wieder herauszuholen. Es gab Gespräche und Treffen, und es war klar, dass noch keine endgültige Entscheidung gefallen war, wie sie diese Geschichte zu Ende bringen würden. Mischa und ich hatten übrigens immer gestritten über Putin. Er hat sein Potenzial stark überbewertet, er war sicher, dass die Einsicht in die Bedürfnisse des Staates bei ihm die Oberhand gewinnen würde.
Aus der Sicht von jemandem, der an die Zukunft des Landes denkt, hatte Mischa recht. Unter diesem Gesichtspunkt hätten sie weder Chodorkowski einsperren noch das Unternehmen ausplündern dürfen, und auch die Silowiki hätten sich nicht durchsetzen dürfen. Mischa und ich sahen uns oft und waren uns nach wie vor uneins; allzu große Veränderungen habe ich an ihm nicht bemerkt. Eine andere Sache war, dass gegen Ende September die Dinge irgendwie ins Rollen gekommen waren, es sah offensichtlich nicht gut aus, es gab schon die ersten Hausdurchsuchungen, und es war klar, dass sie Platon nicht freilassen würden. Chodorkowski hatte beschlossen, nicht zu verhandeln. Das ist natürlich eine schwere, eine sehr schwere Entscheidung. Eine Geisel sitzt für ihn in Haft und er beschließt, nicht zu verhandeln. Und dabei ging es nicht ums Geld. Er traf sich mit Patruschew. Soweit ich mich erinnere, lief das Gespräch etwa so: ›Ihr habt bei der Privatisierung von Apatit nicht genug gezahlt, aber jetzt habt ihr die Gelegenheit, nachzuzahlen.‹ Ich glaube, es ging um 280 Millionen, und es wurde angedeutet, dass Platon danach freikäme. Mischa hat mir das erzählt. Mischa war der Meinung, dass wir mit der Annahme dieser Bedingung faktisch eingestehen würden, gegen das Gesetz verstoßen zu haben. Dann hätten sie uns am Haken: Wir würden gewissermaßen zugeben, Kriminelle zu sein. Und das würde zu einer Kettenreaktion führen. Ungefähr so hat er es erklärt.«
Jewgeni Kisseljow: »Es gab noch ein zweites Treffen, nur wenige Tage vor Chodorkowskis Verhaftung, also vor seiner letzten Reise durch Russland, die mit der Verhaftung in Nowosibirsk endete. Ich
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