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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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Regierung nur noch eines bliebe, nämlich ihn ins Gefängnis zu stecken. Und er sagte das so ruhig, dass ich nicht einmal den Drang verspürte, ihn zurückzuhalten. Das werfe ich mir heute vor. Ich hätte das tun müssen. Seine Freunde hier in Amerika hatten ja versucht, ihn umzustimmen.«
    Leonid Newslin: »Mischa kam am 25. oder 26. September. Er stieg im David InterContinental ab. Ich glaube, er blieb etwa zwei Tage. Das war einen Monat vor seiner Verhaftung. Wir trafen uns alle mit ihm: Brudno, Schestopalow und ich. Ich bekam Anrufe aus Amerika, unter anderem von Tom Lantos, alle sagten, überrede ihn, nicht zurückzufahren, sie werden ihn einsperren. Ich habe es versucht, aber es war zwecklos, ich redete gegen eine Wand an. Und am Ende trifft sowieso jeder seine eigenen Entscheidungen. Ich kannte Mischa ja gut genug. Was mich nicht hindert, mir Vorwürfe zu machen – vielleicht hätte ich noch mehr sagen und tun sollen. Ich weiß nicht, was das war bei ihm: Ob er entschlossen war, ins Gefängnis zu gehen, oder sicher, dass man ihn nicht für lange einsperren würde. Ich sagte ihm, wenn du erst im Knast sitzt, helfen uns alle unsere Möglichkeiten und Beziehungen nicht, dich da wieder rauszuholen … Darauf reagierte er nicht, er sagte nichts dazu. Es war das zweite Mal, dass er in Israel war. Und weißt du, er war nicht traurig. Er war konzentriert und in sich gekehrt. Und ich spürte, dass da eine Wand war, die es früher nicht gegeben hatte und die sich nicht durchbrechen ließ.«
    Die bekannte russische Politikwissenschaftlerin Lilija Schewzowa hat mir von einem Vortrag berichtet, den Chodorkowski bei der Carnegie-Stiftung in Washington hielt, am 9. Oktober 2003. Zu Beginn seines Vortrags habe Chodorkowski gesagt, er wolle über die Zivilgesellschaft reden, worüber er auch in Russland in letzter Zeit häufig spreche. Im Ausland sprach er ja gewöhnlich über Erdöl, aber diesmal nicht. Er sprach auch über Demokratie und die Zukunft des Landes. Aus dem Wortlaut des Vortrags lässt sich der Tonfall nicht rekonstruieren, aber Lilija sagt, dieser Ton habe sie unangenehm überrascht – es sei der eines allzu selbstsicheren Menschen gewesen, der meint, er könne die halbe Welt in die Tasche stecken. Wenn man bedenkt, wie schwierig dieser Monat für Chodorkowski war, ist das erstaunlich.
    Michail Chodorkowski: »Lilija Schewzowa hat meine ›Botschaft‹ ganz richtig aufgenommen. Dazu muss man aber auch die Eigenheiten des amerikanischen Publikums kennen. Wer seines Erfolgs nicht gewiss ist, braucht in Amerika gar nicht zu versuchen, eine öffentliche Position zu artikulieren. Das ganze ›Hin und Her‹, wie es bei uns üblich ist, interpretiert man dort dort als Indiz für ein unmittelbar bevorstehendes Scheitern. Ich habe viel mit PR -Spezialisten von dort zusammengearbeitet, und ich habe nur vermittelt, was notwendig war.
    Der inzwischen verstorbene legendäre Kongressabgeordnete Tom Lantos hat mich tatsächlich beschworen, nicht zurückzugehen, nachdem ich ihm gesagt hatte, die Wahrscheinlichkeit, dass ich verhaftet würde, liege bei 30 Prozent. Er bot an, mir bei der Beschaffung einer Aufenthaltserlaubnis für die USA zu helfen, aber so ein Schritt war für mich völlig ausgeschlossen.
    Tom Lantos war ein sehr guter Mensch, der Russland sehr mochte. Er hat oft davon erzählt, wie sowjetische Soldaten ihn aus dem Konzentrationslager befreit hatten. Aber er hasste die Diktatur in jeglicher Ausprägung, und Putin wurde für ihn zum persönlichen Feind.
    Was den amerikanischen Politikbetrieb angeht, schien er mir ausgesprochen effizient zu sein (natürlich auch nicht unproblematisch, aber effizient). Besonders gefiel mir das parlamentarische Verfahren der Gesetzgebung und Kontrolle. Einfach schön!
    Wenn ich mir ein ›politisches Gewand‹ aussuchen sollte, dann wäre der Ausschuss, wie es ihn im amerikanischen Kongress gibt, vielleicht die Art von ›Apparat‹, die ich gern auf russischen Boden übertragen würde. Ich habe sogar schon einmal einen Anlauf dazu unternommen. Wir haben mehrere öffentliche Anhörungen zum ›Brennstoff- und Energiekomplex‹ organisiert (bei uns in Russland). Aber heute ist das Parlament leider kein Ort für Debatten mehr.«
    Alexej Kondaurow: »Warum Chodorkowski das Risiko nicht sah? Ich weiß es nicht. Ljonja Newslin hat in einem Interview gesagt, er hätte Putin unterschätzt. Dem stimme ich zu. Entweder hat er ihn selbst unterschätzt, oder es waren andere Leute, die ihm

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