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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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wahrscheinlich muss ich dann dort irgendwo eine Schule für sie finden. Er sagte, das bräuchte ich nicht, in ein bis zwei Monaten wäre alles ausgestanden. Du musst wissen, dass die Abreise der Gesellschafter Mischas Entscheidung war. Ljonja Newslin reiste Ende Juli aus, nach mir, er kam aber vor mir in Israel an.«
    Michail Chodorkowski: »Der Einzige, der schon zu Beginn der Konfrontation die Zukunft klar vor Augen hatte und mir zum Aufgeben riet, war einer meiner früheren Mitarbeiter. Ich bin ihm dankbar, aber ich konnte seinen Rat nicht mehr befolgen. Alle meine Kollegen wurden vor den möglichen Konsequenzen gewarnt und trafen selbst ihre Entscheidung. Alle, die ich informiert hatte, sollten das auch den ihnen unterstehenden Mitarbeitern ausrichten, und so weiter … Alle hatten die Wahl, und sie haben sie auch jetzt noch! Es gab keinerlei Einwände, in keiner Phase. Wir arbeiteten im Team, wir stritten, wir beschimpften einander, aber konzeptuell waren wir einer Meinung.«
    Dmitri Gololobow, Anwalt 200 : »Als die ganze Geschichte namens ›Der Fall Yukos‹ begann, sagte Michail Chodorkowski mehrmals: Wenn jemand geschädigt wird, garantiere ich, dass die Betroffenen juristischen Beistand und Unterhaltsleistungen bekommen, solange sie unter Beschuss sind. So klang das im Frühjahr 2003, noch vor allen Verhaftungen. In der Folgezeit wurde das nach und nach modifiziert, und jetzt sieht die Lage objektiv so aus: Viele Leute, die ausgereist sind, sind nicht imstande, sich allein zu versorgen, zu arbeiten. Diejenigen, gegen die strafrechtliche Anschuldigungen vorliegen, können nicht arbeiten, niemand würde sie einstellen. Dazu kommt, dass die überwiegende Mehrheit der Leute nicht mehr ganz jung war zum Zeitpunkt ihrer Ausreise, und das sind faktisch soziale Invaliden: Sie sind arbeitslos, sie verdienen kein Geld und finden keinen Platz in der Gesellschaft. Es gibt einige Dutzend solcher Fälle. Verstehen Sie, ich spreche nicht von mir, ich habe Klienten, und überhaupt ist meine Situation eine ganz andere. Aber im Fall Yukos gibt es verschiedene Schichten. Es gibt reiche Leute, die Sie mehr oder weniger alle kennen und für die es keine Rolle spielt, wo sie leben. Sie sind unabhängig. Das gilt für die Gesellschafter und einen Teil des Top-Managements. Dann gibt es die Leute, die nicht sonderlich reich sind, die aber irgendwie durchkommen. Dazu zähle ich mich. Und es gibt Leute, die es nicht aus eigener Kraft schaffen, die Kinder haben und so weiter. Und das sind eben mehrere Dutzend. Ihre Perspektiven sind absolut unklar. Nach Russland können sie nicht, erst recht nach dem Präzedenzfall von Valdes Garcia. 201 Sie finden keine Arbeit, einigen fällt es schwer, eine neue Sprache zu lernen. Gegen mehrere von ihnen wurden in Abwesenheit Verfahren eingeleitet.
    Diese Leute sind nicht auf eigene Faust geflohen. Ihre Abreise war die Entscheidung ihrer Vorgesetzten, denen man gesagt hatte, sie müssten die Entscheidung für ihre Mitarbeiter treffen. Chodorkowski ist nicht geizig. Er kann nur gut haushalten. Ich glaube, für ihn ist das ein schwieriges Dilemma: Sich 50 Personen aufzuhalsen, für die er aufzukommen hat – und gleichzeitig selbst weiter im Gefängnis sitzen zu müssen. Das ist mir klar. Wie er sich auch entscheidet, ist es falsch: Es ist nicht gut, sich Unterhaltsempfänger zu schaffen. Aber man kann die Leute in der gegebenen Situation auch nicht zur Arbeit zwingen. Ja, es wurde ein Fonds eingerichtet zur Unterstützung dieser Menschen, und ich weiß, dass das ganze Geld von Chodorkowski kam, aber niemand hatte damit gerechnet, dass das alles so lange dauern würde, acht Jahre inzwischen. Es wäre natürlich am besten, direkt mit Chodorkowski darüber zu reden. Das geht aber nicht. Und gleichzeitig gehen diesen Leuten inzwischen die letzten Reserven aus, und sie haben keine Zukunft. Sie haben einfach schon zu lange nicht gearbeitet. Und dazu kommt noch ihr Alter. Es stellt sie einfach keiner mehr ein. Man muss ihnen klar sagen, welche Perspektiven sie haben. Und mir scheint, Chodorkowski hat dazu keine so klare Position.«
    Jewgeni Kisseljow: »Chodorkowski hatte beschlossen, die Zeitung Moskowskije nowosti zu kaufen und wollte mich als Chefredakteur gewinnen. 202 Das war Anfang September 2003, anderthalb Monate vor seiner Verhaftung. Platon Lebedew war bereits in Haft. Ich glaube, dass Chodorkowski die Situation damals falsch eingeschätzt hat. Er hatte sich verrechnet, wie mir heute scheint.

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