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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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Kollegen wieder. Anscheinend hatten sie keine Lust mehr gehabt, in der Absperrkette zu stehen, also machten sie einen Spaziergang übers Gelände. Dabei stießen sie auf das Häuschen, das offen stand, gingen hinein – und siehe da, eine Bar. Also haben sie sich einfach zugeschüttet.
    Durchsucht wurde Platons Haus. Vielleicht noch irgendwelche Verwaltungsgebäude. Mischas Haus wurde nicht durchsucht, auch später nicht. Durchsuchungen gab es bei Wladimir Moissejew 203 , und auch bei Brudno wollten sie rein, über die unterirdischen Leitungsschächte. Sie wussten offenbar, dass es von dort aus einen Durchgang zu den Häusern gab. Aber sie hatten den falschen Eingang erwischt, brachen bei mir ein und zerschlugen mir die Tür. Bevor sie wegfuhren, sagte ich: Und wer repariert mir die Tür? Sie haben nur gegrinst.
    Außerdem gab es Haussuchungen in Shukowa 88, wo wir ebenfalls Räume hatten, auf der anderen Straßenseite. Dort war übrigens das Büro von Anwalt Drel. Der Server-Raum war auch dort. Und da stand ein riesiger Computerschrank. Sie dachten, das wäre der Server. Also holten sie ihn raus und ließen ihn zur Prüfung in ihre technische Abteilung bringen. Tatsächlich war es so, dass die Leute, die in Shukowa 88 arbeiteten, dort Filme drauf gespielt hatten. Der Speicherplatz war riesig. Und bei der Beschlagnahme muss protokolliert werden, wie viel Speicherplatz belegt ist, damit später nichts ausgetauscht werden kann. Das wurde auch gemacht. Aber die Staatsanwaltschaft hat sich einen Dreck darum gekümmert. Später haben sie über diesen Rechner Dokumente ›legalisiert‹, die sie von Golubowitsch bekommen hatten. Beim ersten Prozesses kam das heraus: Der belegte Speicherplatz hatte sich genau um den Umfang dieser Dokumente vergrößert.«
    Olga Dubowa: »Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie diese ganze Meute zur Hausdurchsuchung ankam und ich nur einen einzigen Gedanken hatte: Ihretwegen komme ich jetzt zu spät zu meiner Arbeit an der Universität …«
    Inna Chodorkowskaja: »Ich ließ meine ›starken Männer‹ kommen, sie postierten sich an allen Türen und Kellerräumen. Die Miliz hatte keinen Durchsuchungsbeschluss für unser Haus. Bei uns fand nie auch nur eine einzige Hausdurchsuchung statt. Sie liefen auf dem Gelände herum. Manche betranken sich, andere verliefen sich in den Kellerräumen. Die Frauen, die dort saubermachten, kriegten alle hysterische Anfälle. Einmal tauchten Gerichtvollzieher auf. Sie fragten nach irgendwelchem ›Eisen‹, nach Gewehren … Ich sagte, ich hätte nur Töpfe und Pfannen zu bieten. Mich persönlich haben sie nie angerührt.«
    »Sie werden ihn einsperren«
    Im September und Oktober 2003 reiste Chodorkowski nach Amerika. Im September flog er nach Israel. Jedes Mal war die Presse gespannt: Kommt er zurück oder nicht? Und jedes Mal schrieb sie erstaunt: Er ist wieder da. Ich denke, seine Gegner waren nicht minder überrascht, dass er immer wieder zurückkam. Chodorkowski hatte seine Wahl offenbar schon getroffen: Er wollte nicht fliehen.
    Pawel Chodorkowski: »Mein Vater kam im September nach Boston, nur für einen Abend. Er war auf dem Weg nach Washington, oder er kam gerade von dort, ich weiß es nicht mehr. Er wollte sich die Uni ansehen, wollte sehen, wie ich untergebracht war. Er kam mit seinem eigenen Flugzeug. Ich meine, es war eine ›Gulfstream‹ Er war sehr stolz, dass Yukos jetzt ein eigenes Flugzeug hatte, das Transatlantikflüge ohne Zwischenlandung schaffte. Ich holte ihn vom Flughafen ab und brachte ihn ins Hotel. Er hatte keinen Personenschutz dabei. Im Ausland habe ich ihn überhaupt nie mit Personenschutz gesehen.
    Dann kam er zu mir in die Universität. Wir gingen rein, sahen uns alles an und schauten im Wohnheim vorbei. Er wollte sehen, wie die Studenten untergebracht waren. Es hat ihm gefallen. Es ist ziemlich bescheiden dort. Auch meine Freundin hat dort gewohnt. Ich machte sie bekannt. Meine Freundin war völlig aufgelöst, hielt sich aber tapfer. Papa war mit ihr per ›Sie‹. Danach sagte er mir lakonisch, er sei einverstanden mit meiner Wahl.
    Er sah aus und verhielt sich wie immer, als wäre alles in Ordnung. Vielleicht wollte er sich ja bewusst selber Mut machen. Er lächelte, wie immer. Irgendwann wusste ich selbst nicht mehr, ob wirklich alles gut war oder ob er nur so tat. Erst kurz vor dem Abflug … Da fragte ich ihn: ›Was wird jetzt, Papa?‹ Das war der einzige Moment, in dem er ernst wurde und antwortete, dass der

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