Mein Weg
die 34 Kilometer geschafft.
Mit uns waren unter anderem auch ein junger Mann aus Österreich und eine ältere Dame aus Kanada in der Herberge. Beim Essen kamen wir ins Gespräch und ich hatte mal wieder zwei Extreme auf dem Camino getroffen. Erika aus Montreal, stammte aus Österreich, war 83 Jahre alt und ging ihren neunten Camino. Mit ihren 83 Jahren war sie noch so top fit und erfreute uns mit ihren Geschichten. Sie kannte den Camino Francés in- und auswendig. Jedes Dorf wusste sie mit Namen und auch welche Herbergen in welchem Ort gut oder welche nicht zu empfehlen waren. Ich hatte oftmals Probleme, mich an den Ortsnamen des Tages zuvor zu erinnern. Sie war ein wandelnder Reiseführer und hat mich total beeindruckt. Ihr Mann ist ein Jahr jünger als sie und holt sie nach ihrer Wanderung dann in ihrer alten Heimat Österreich ab. Das musste wahre Liebe sein! In diesem Alter noch so fit zu sein hat mich sehr fasziniert. Selbstverständlich hat sie auch immer in Herbergen und nur selten in Pensionen geschlafen. Für ihr Alter fand ich das um so beachtlicher.
Dann war da noch der Bernhard aus Österreich. Er war 25 Jahre alt und ging jeden Tag zwischen 50 und 60 Kilometern. Bis dahin dachte ich von mir, dass ich ziemlich zügig unterwegs war, aber das stellte alles in den Schatten. Die zurückliegenden 700 Kilometer war er gerade mal in 14 Tagen gelaufen. Absolut unglaublich! Somit war dieser Abend wieder von besonderem Wert für mich. Die Gegensätze sind hier so enorm. Trotz des schlechten Wetters heute Morgen war es doch noch ein Tag mit mancher Überraschung geworden. Ganz nebenbei hatte ich heute morgen auch den Punkt „100 Kilometer bis Santiago“ überschritten. Es soll wohl einen Stein am Wegesrand geben, wo diese Angabe vermerkt ist, aber ich hatte ihn leider nicht gesehen. In drei Tagen sollte ich in Santiago sein!
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25. Tag: Gonzar – Melide
(33,2 km)
Die Nacht verlief schleppend. Ich hatte sehr schlecht geschlafen. Der Schnarcher in unserem Zimmer dafür um so besser. Um 7:30 Uhr brachen wir auf. Anfangs blieb es auch noch trocken und wir kamen die ersten fünf Kilometer gut voran. Dann begann es wieder zur regnen und ich war kurz darauf wieder komplett durchnässt. Zu Hause in Deutschland herrschte schon seit Tagen das schönste Wetter und hier bei uns dominierte Regen und Kälte das Wettergeschehen.
Bei unserer ersten Pause traf ich Toni aus Lengries wieder. Ihn hatte ich das letzte Mal am 6. und 7. Tag in der österreichischen Herberge in Los Arcos getroffen. Es blieb aber nur bei einem kurzen Gespräch, weil er bereits im Aufbruch war.
„Vielleicht sehen wir uns heute Abend in Melide wieder.“, rief ich ihm nach.
Noch 50 km bis Santiago
Trotz des Regens gingen wir nach kurzer Rast weiter. Wir konnten ja nicht dort sitzen bleiben. Nach weiteren zehn Kilometern hielten wir an einer Café-Bar an, um zu frühstücken. Da es immer noch regnete kam, sie sehr gelegen. Gerade als wir beim Kaffee saßen, gesellte sich Marco aus Slowenien zu uns. Er war letzte Nacht im selben Ort wie wir geblieben, aber in der Gemeindeherberge untergekommen. Am Morgen vergaß er seinen Fotoapparat, der unter seinem Kopfkissen lag, wieder mitzunehmen. Er hatte auch schon in der Herberge angerufen und erfahren, dass eine Kamera gefunden worden sei. Er versuchte nun ein Taxi zu bekommen, um den Weg zurückzufahren. Er tat mir sehr leid und ich dachte nur, dass mir so was hoffentlich nicht passiert. Ich hoffte, er bekommt die Kamera zurück. Wäre echt schade um die ganzen Bilder bis hierher. Marco war, genau wie ich, in Saint-Jean-Pied-de-Port gestartet. Die Kamera ist sicher ersetzbar, aber die Bilder nicht.
Noch während wir beim Frühstück saßen, sahen wir Martin draußen vorbeigehen. Ihn holten wir später in Palais de Rei wieder ein, um von dort gemeinsam weiterzugehen.
Es regnete leider immer noch. Kurz vor Casanova kam doch noch die Sonne heraus. Zu der Zeit hatten wir schon 25 Kilometer hinter uns. Mandy wollte in der Herberge bleiben. Martin machte erst mal seine Brotzeit und ich stapfte alleine weiter. Bis Melide waren es noch zehn Kilometer. Die private Herberge dort war ziemlich kalt, aber die Zimmer und die Duschen in Ordnung.
Bei diesem Wetter und den langen Strecken könnte man etwas Wärme gut gebrauchen, doch das erwies sich meist als Fehlanzeige. Um diese Jahreszeit ist man darauf scheinbar nicht mehr eingestellt. Zum Glück war es aber in dem Restaurant beim Abendessen schön warm. Hier
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