Mein wirst du bleiben /
Tod.« Ein leuchtend blauer Blick traf Ehrlinspiel. »Das hat Pfarrer Müller mir gesagt. Bei Gott wird Frau Wimmer geborgen sein.«
»Woher wissen Sie, was geschehen ist?«
Sie lächelte zögerlich, als zweifle sie an der Ernsthaftigkeit seiner Frage. »Bei dem Polizeiaufgebot und dem Lärm da unten?«
»Das hat Sie alarmiert?«
»Es war kaum zu überhören und zu übersehen.«
»Und vorher, war da irgendetwas ungewöhnlich? Haben Sie Frau Wimmer vielleicht rufen hören oder im Treppenhaus Geräusche vernommen? Ist die Haustür auf und zu geschlagen?«
»Ich war im Gebet.«
»Aha.« Ehrlinspiel blickte zu Freitag. Der schrieb.
»Und Ihre Mutter? Die ist nicht wach geworden?«
Sie drehte den Kopf zur Wohnungstür. »Lassen Sie sie da raus, bitte!«
»Weshalb?«
Sie presste die Lippen aufeinander. »Ich möchte sie nicht beunruhigen. Mama schläft oft schlecht. Ich bin froh, wenn sie einmal zur Ruhe kommt.«
»Verstehe.« Miriam Roth macht gerade eine schwierige Zeit durch, hatte der Pfarrer gesagt. Wegen der Mutter? »Ihre Mutter hat Hilde Wimmer regelmäßig zum Arzt begleitet, stimmt das?« Um die fünfzig, hellblond – Doktor Wittkes Beschreibung konnte sich nicht auf die Tochter beziehen.
»Miriam?«, rief es von innen, und Miriam Roth schob die angelehnte Wohnungstür auf.
Ehrlinspiels Blick fiel in einen sauberen Flur, der von einer Lampe mit herabbaumelnden Glasperlen erhellt wurde. Unter der Decke zogen sich Bücherregale entlang, darunter hingen Gemälde, fast alles Porträts. In einer Tür, die Hand auf den Rahmen gelegt, stand eine Frau mit schulterlangen, blonden Haaren. Sie trug einen Morgenmantel, den sie mit der andern Hand am Hals zusammenhielt. Sie blinzelte, als blende das Licht sie. Als sie Ehrlinspiel sah, kam sie tapsig an die Wohnungstür.
»Ach herrje, jetzt bist du wach«, sagte Miriam Roth und stützte die Frau unterm Ellbogen.
»Ist schon gut, Kind.« Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht. Ihre Augen blickten müde, doch sie leuchteten wie die ihrer Tochter, nicht in Blau, aber in einem intensiven Grünbraun, und Ehrlinspiel dachte, dass die Einsprengsel darin wie Bernsteine glitzerten. Beinahe unheimlich. »Was ist denn los?«, fragte sie.
»Leg dich ruhig wieder hin, es ist alles in Ordnung.« Miriam Roth strich ihr übers Haar.
Die Mutter sah die Polizisten an. Die Knöchel ihrer linken Hand traten so weiß hervor, wie der Stoff des Morgenmantels war, den sie noch enger zusammenzog. »Wer sind Sie? Was wollen Sie?« Sie sprach langsam und fast überdeutlich, als müsse sie nach jedem Wort suchen.
Ehrlinspiel stellte Freitag und sich erneut vor. Ihm entging nicht, dass ihre Lippen bebten, nur zwei, drei Sekunden, als hätte man sie kurz unter leichten Strom gesetzt. »Es tut uns leid, wenn wir Sie geweckt haben. Können Sie uns ein paar Fragen beantworten?«
»Mitten in der Nacht? Warum?«
»Eine Dame aus dem Haus ist … zu Tode gekommen.«
»Eine Dame? Wer?«
»Hilde Wimmer.«
Thea Roth blickte die Polizisten an. Ihre Wimpern wurden feucht. »Tot? Wie Martin Gärtner?«
»Waren Sie mit Frau Wimmer befreundet?«
Sie schlug die Hand vor den Mund. Die zitterte. »Warum denn? Wie … Nein, nein, das kann nicht sein.«
»Können Sie nicht morgen wiederkommen?« Miriam stellte sich zwischen Ehrlinspiel und ihre Mutter. »Sehen Sie nicht, dass das zu viel für sie ist?«
»Lass gut sein, Miriam«, schluchzte die Ältere. »Ich bin einfach nur müde.«
Freitag reichte ihr ein Taschentuch, doch sie zerknüllte es in der Hand und sagte: »Ich habe mich ein wenig um Frau Wimmer gekümmert. Nichts weiter.«
»Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?« Wittkes Anruf war um einundzwanzig Uhr zweiundfünfzig bei der Polizei eingegangen.
Sie blickte zu ihrer Tochter. »Ich … ich kann mich nicht erinnern.« Sie zupfte an dem Taschentuch. »Am Vormittag? Oder am Freitag? Ich … Es tut mir leid.«
»Wo haben Sie sie gesehen?«
»Ich weiß nicht. Beim Einkaufen, glaube ich.« Weiße Fetzen fielen neben Miriams nackte Füße auf den Steinboden.
Etwas stimmt mit ihr nicht, dachte Ehrlinspiel. »Sie hat Ihnen nichts anvertraut, das uns weiterhelfen könnte?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Eine letzte Frage noch. Sie haben Frau Wimmer ab und an zum Arzt begleitet. Sie kennen sie also ein bisschen. Können Sie sich erklären, warum sie mitten in der Nacht aus dem Haus ging?«
»Aus dem Haus? Warum? Wie ist sie denn genau …?«
»Sie ist draußen
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