Mein wundervolles Genom
London Sperm Bank, die größte Einrichtung dieser Art im Vereinigten Königreich. Laut Website hält die Samenbank einen »Samenspenderkatalog«bereit, aus dem Interessierte den Spender »mit den ansprechendsten Merkmalen« auswählen können: »fügen Sie ihn einfach zu [Ihrem] Warenkorb hinzu und setzen Sie den Einkauf fort«. 17
Nicht überall funktioniert es so. In Dänemark hat man bis vor kurzem bei der Entscheidung für einen Samenspender nicht gewusst, was man bekommt. Es war wie der Kauf der sprichwörtlichen Katze im Sack: Eine Frau, die eine Samenspende in Anspruch nahm, wusste weniger über den Vater ihres Kindes, als wenn sie mit einem x-beliebigen Unbekannten aus einer Bar ins Bett gegangen wäre. Nach den Gesetzen des Landes ist es immer noch nicht legal, die Leute auswählen zu lassen, aber wie es aussieht, wird sich das auf Druck der Europäischen Union ändern. Wie Peter Bower, Direktor der Europäischen Samenbank in Kopenhagen, zu mir gesagt hat: »In dem Bereich sehen Sie Marktwachstum.«
Aber es ist eine Sache, unter Freiwilligen auszuwählen, die Sperma gespendet haben, und eine andere, unter wehrlosen Embryos den auszuwählen, dessen GQ die Anforderungen erfüllt. Der Schritt zum Homo sapiens 2.0 wird nicht ohne Diskussion und Widerstand vonstattengehen. Im Jahr 2010 bat die Zeitschrift Nature anlässlich des zehnten Jahrestags der Entschlüsselung des menschlichen Genoms eine Reihe prominenter Wissenschaftler, mögliche Entwicklungen der nächsten zehn Jahre zu skizzieren. David Goldstein, Genetiker an der Duke University, nannte das Screening von Föten. »Die Identifizierung erheblicher Risikofaktoren für Krankheiten wird das Interesse an Embryo-Tests und anderen Screening-Programmen stark erhöhen«, schrieb er. »Die Gesellschaft hat dieses Prinzip bei Mutationen, die unweigerlich zu schweren Krankheitsbildern führen, bereits weitgehend akzeptiert. Werden wir auch so entgegenkommend gegenüber denjenigen sein, die Embryos darauf testen lassen, ob sie, sagen wir, ein zwanzigfach erhöhtes Risiko für eine schwerwiegende, aber nicht genau spezifizierte psychische Erkrankung haben?« 18
Gute Frage, Dr. Goldstein. Damit sind wir bei der klassischen Debatte, in welchem Umfang Schranken errichtet und Regeln aufgestellt werden sollten, die bestimmen, was künftige Eltern entscheiden dürfen. Bei welchen Krankheiten ist die Entscheidung für eine Abtreibung in Ordnung? Welche sind nicht schwerwiegend genug? Gibt es jenseits von Krankheiten Merkmale, für die man sich entscheidet?
Im Kern läuft es auf die Frage hinaus, wo die Entscheidungsbefugnis über unsere Fortpflanzungsrechte liegt und wie der Ausgleich zwischen Rücksicht auf das Individuum und Rücksicht auf die Gesellschaft geregelt werden soll. Der Staat hat immer versucht, die menschliche Fortpflanzung zu kontrollieren. An bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten hat er ganz direkt Abtreibung und den Zugang zu Empfängnisverhütungsmitteln verboten oder aber die Sterilisation bestimmter Bevölkerungsgruppen angeordnet. Heute können wir möglicherweise ein Paar verstehen, das einen Fötus mit genetischen Defekten abtreiben will, die großes Leid und Schmerzen, vielleicht sogar einen frühen Tod verursachen. Aber wie ist es mit weniger schlimmen Krankheiten – wo ziehen wir die Grenze?
Aktuell wird die Debatte hauptsächlich mit Blick auf Spätabtreibungen geführt. Zum Beispiel hat die dänische Behörde, die bei Spätabtreibungen ihre Zustimmung geben muss, 2008 einer Frau namens Julie Rask Larsen die Einwilligung zur Abtreibung in der 20. Schwangerschaftswoche verweigert, nachdem eine Ultraschalluntersuchung gezeigt hatte, dass dem Fötus der linke Unterarm fehlte. Die Behörde befand, dies sei ein Handicap, mit dem Mutter und Kind leben könnten. Rask Larsen war anderer Meinung. Sie fuhr nach England und ließ die Abtreibung dort vornehmen. 19
Wenn die Menschen darüber nachzudenken beginnen, was unsere neuen genetischen Möglichkeiten bedeuten, malen sie sich vielleicht eine brutale Gesellschaft aus, die einen primitiven, engen Blick auf das Menschsein hat und nur das Perfekte zulässt – in gewisser Weise Gattaca in der Realität. Es kann auch sein, dass viele Eltern eine »irrige« Vorstellung von ihren Nachkommen entwickeln und Kinder als etwas betrachten, das man wie ein technisches Gerät bestellen kann, mit Angabe der gewünschten Spezifikationen.
Einen Blick in die Zukunft konnten wir 2009 werfen, als die
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