Mein wundervolles Genom
verwerfen. Wie ich sage: Wir sind alle Mutanten, aber manche sind mehr Mutanten als andere.«
Aus diesem Blickwinkel betrachtet, könnte man auch den von Randall Parker vorgeschlagenen Weg gehen und künftige Eltern genetisch testen. Wenn beide Mutationen aufweisen, die zu Krankheiten führen könnten, wenn der Embryo die entsprechenden Gene beider Eltern bekommt, braucht man nur noch ein Reagenzglas und die Präimplantationsdiagnostik, um die befruchteten Eizellen auszusondern, die wahrscheinlich betroffen sind.
Genau dieses Vorgehen empfiehlt die amerikanische Firma Counsyl. Die Gründung zweier Absolventen der Stanford University ging 2010mit einem Paukenschlag an den Start und verkündete, sie biete etwas, das sie selbst einen »universellen Gentest« nannte. Mit einem Genchip testet Counsyl Mutationen, die bei über hundert genetisch bedingten Krankheiten eine Rolle spielen; der Test kostet 350 Dollar für eine Person und 685 Dollar für ein Paar.
Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, könnte das daran liegen, dass Sie schon einmal von dem Projekt Dor Yeshorim – oder »aufrechte Erzeugung« – gehört haben. Dieses in den 1980er Jahren gegründete weltweite Programm mit Sitz in der Nähe von Brooklyn bietet Gentests für zehn rezessiv vererbte Krankheiten, die unter orthodoxen Juden aschkenasischer Abstammung verbreitet sind. Die Gründer plädieren für anonyme Tests von Kindern im Schulalter; die Familien erfahren die Testergebnisse nicht, sondern bekommen eine PIN-Nummer. Wenn die Familien – arrangierte Ehen sind in dieser Gemeinschaft üblich – nach einem Ehepartner suchen, können sie die PINs des potenziellen Paares in eine Datenbank eingeben, und Dor Yeshorim sagt ihnen, ob die beiden Träger unheilvoller Mutationen sind. Wenn es so ist, wird kein Treffen arrangiert, und niemand muss den Grund erfahren.
Counsyl strebe an, Gentests so selbstverständlich zu machen wie Schwangerschaftstests zu Hause, sagt Firmenchef Ramji Srinivasan. Sein Bruder Balaji fügt hinzu, sie verstünden sich als »soziale Unternehmer mit einer Mission«. 14 Die beiden Brüder haben sich mit einer Gruppe hochkarätiger Berater umgeben, darunter auch der Psychologe Steven Pinker, der auf der Website des Unternehmens sekundiert: »Universelle Gentests können das Auftreten genetischer Erkrankungen drastisch reduzieren und viele Erkrankungen möglicherweise ausrotten.« Gleich daneben versichert eine weitere Harvard-Koryphäe und ebenfalls Berater von Counsyl, Professor Henry Louis Gates, für ihn sei der Test »ein echter Durchbruch bei der Gesundheit von Minderheiten«. 15
»Ja«, bestätigt Leroi, »Counsyl kommt bei den Medien extrem gut an; das zeigt, aus welcher Richtung der Wind weht. Und ihre hundertKrankheiten sind ein guter Anfang.« Er unterstreicht seine Einschätzung mit einem leichten Schnauben: »Aber man kann noch viel weiter gehen.«
Mit »weiter« meint Leroi sein Konzept eines GQ – wenn schon nicht die Garantie, toll auszusehen und klug zu sein, dann doch mindestens ein umfassender Blick auf das Genom, der alle Mutationen berücksichtigt. Der Quotient erfasst auch die SNPs, die nicht unbedingt zu einer Krankheit führen, aber das Risiko dafür erhöhen können. Leroi möchte sogar Mutationen mit einbeziehen, bei denen man heute noch nicht weiß, was sie bedeuten. »Das Prinzip ist, dass man feststellt, wie viele Mutationen jemand hat, und davon ausgehend die Wahrscheinlichkeit für eine Reihe von Krankheiten kalkuliert«, sagt er im Ton eines Mathematikdozenten. »Schließlich wird es sogar möglich sein, eine gute Schätzung der Lebenserwartung abzugeben.«
Das Konzept ist simpel: Man nimmt ein Genom, sequenziert alle rund zwanzigtausend Gene und zählt, wie viele Mutationen sie aufweisen – Mutationen, die Veränderungen bei den Proteinen zur Folge haben könnten, deren Produktion sie steuern. Veränderungen bei den Proteinen können wirklich übel sein. Nach dem, was die Genetiker bereits wissen, kann man für jede der mutmaßlich einigen Tausend identifizierten Mutationen die Wahrscheinlichkeit errechnen, dass sie die Proteinproduktion massiv beeinträchtigt. Es geht nicht um kleine, geringfügige Varianten in der Wirksamkeit, sondern um mehr oder weniger schadhafte Proteine und deshalb um Mutationen, die man als schädlich ansieht.
»Wenn man alles zusammennimmt, erhält man die vollständige Belastung einer Person durch Mutationen oder ihren genetischen Quotienten«, sagt Leroi und lehnt sich in
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