Mein wundervolles Genom
seinem Bürostuhl zurück. »Verstehen Sie?«
Ich denke schon. Wie sich herausstellt, haben einige Forscher sogar bereits mit solchen Berechnungen begonnen. Carlos D. Bustamente von der Stanford University, der zufällig auch für das berühmte MacArthur-Stipendienprogramm »für geniale Köpfe« angepumpt wurde, hat eineReihe afrikanischer und europäischer Genome verglichen und festgestellt, dass die Europäer sehr viel mehr Mutationen hatten. 16
»Sie schreiben in dem Artikel nicht, dass die Afrikaner deshalb genetisch gesünder sind, aber ich glaube, das ist die Schlussfolgerung. Schwieriger zu erklären ist, warum es so ist«, sinniert Leroi.
»Es wäre bestimmt interessant herauszufinden, ob ein Zusammenhang zwischen physischer Qualität und Belastung durch Mutationen besteht«, sage ich kleinlaut.
»Ja, sicher. Und dafür muss man natürlich große Gruppen untersuchen und vergleichen. Ich persönlich glaube, es wird sich herausstellen, dass die Mutationslast einer Person in direktem Zusammenhang mit ihrer Gesundheit und mit verschiedenen anderen Merkmalen steht. Sagen wir, mit Intelligenz und körperlicher Schönheit.«
Leroi selbst plant ein Experiment in silico (im Computer): Er will Berechnungen an einigen der vielen mittlerweile frei zugänglichen Genome vornehmen und sie für hypothetische Nachkommen kombinieren: »Virtuelle Babys!«, sagt er und zeigt erstmals in unserem Gespräch den Anflug eines Lächelns. »Das wird zeigen, wie sich die Mutationslast durch die Wahl unterschiedlicher Partner verändert, und das sagt etwas darüber aus, wie vorteilhaft eine bestimmte Wahl ist – sowohl die Wahl potenzieller Partner als auch die Auswahl unter mehreren befruchteten Eizellen eines Paares.«
Er drückt seine Zigarette aus und stößt seitlich zwischen den Lippen den letzten Rauch aus.
»Je mehr wir über Genetik wissen, desto wichtiger wird es uns erscheinen, was wir unseren Kindern vererben. Es wird ein beinahe automatischer Teil unseres Denkens werden, weil wir alle unsere Optionen maximieren wollen. Am Anfang werden die Leute selbst dafür bezahlen, und die Zahl der Nutzer wird begrenzt sein. Aber irgendwann wird sich das Gesundheitssystem einschalten, weil es ein Interesse hat, die Belastung durch Krankheitskosten zu begrenzen.«
Entschlossen leert Leroi seinen Kaffeebecher. Er muss zu einer Lehrveranstaltung und kann nicht länger mit mir plaudern.
»Meine Studenten sind über zwanzig, und ich sage ihnen, wenn sie einmal Kinder haben, wird es für sie normal sein, dass die Genome der Kinder auf ihren Laptops gespeichert sind. Wenn es darum geht, aus einer Reihe im Reagenzglas befruchteter Eizellen auszuwählen, wird man natürlich die mit den wenigsten schädlichen Mutationen nehmen. Das heißt, die mit dem höchsten genetischen Quotienten. Aber, wie gesagt: Es ist nicht die Wahl zwischen Perfektion und dem Gegenteil, sondern man wählt das geringste Übel.«
Nach diesem aufschlussreichen Gespräch brauche ich einen Kaffee. Und wenn ich Raucherin wäre, würde ich wahrscheinlich auch nach einer Zigarette greifen. Das war harter Stoff, was mir da mitten am Nachmittag serviert wurde – Neo-Eugenik , ganz ohne Filter.
Ironischerweise ist nur der Begriff so provozierend. Denn Armand Leroi hat vollkommen recht: Die Praxis ist für die meisten Leute unstrittig. Kinder, die nicht gesund sind und Defekte haben, sich gar nicht erst entwickeln zu lassen, ist seit langem Standard und eine Option, die wir gern in Anspruch nehmen. Ich denke auch, dass Leroi damit recht hat, wenn er sagt, künftige Generationen würden die aktive Auswahl unter genetischen Aspekten ganz normal, beinahe natürlich finden. Wir sprechen von Generationen, die damit aufwachsen, dass der Zugang zu genetischen Informationen einfach, billig und direkt möglich ist, genau wie die heutigen Generationen damit aufwachsen, dass der Zugang zu allen Arten von Informationstechnologie einfach und billig ist.
Wir wissen auch, dass die Menschen die Wahlmöglichkeit haben wollen. Wir wissen das nicht nur daher, wie viele Kunden Counsyl bereits gewonnen hat. Denken Sie nur an das altbekannte »Low-Tech«-Angebot von Samenbanken, auch da gibt es eine große Nachfrage nach Selektion. In Amerika ist es eine Selbstverständlichkeit geworden, dass Frauen oder Paare anhand von Bildern und detaillierten Beschreibungen von Samenspendern auswählen, welche Merkmale ihre Kinder haben sollen. Ein britischer Anbieter dieser Dienstleistung ist die
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