Mein zauberhafter Ritter
erklärte Montgomery und warf Phillip einen unmissverständlich warnenden Blick zu. »Aber ihre Geschichten sind für Kinder, Phillip, nicht für erwachsene Männer. Sie sind nichts weiter als Fantasiegespinste.«
Phillip senkte sofort den Blick und wirkte betrübt. Montgomery seufzte. Eine seiner größten Schwächen war sein zu weiches Herz, das er von seiner Mutter geerbt hatte. Robin ließ keine Gelegenheit aus, ihm das immer wieder vorzuwerfen. Er wartete, bis sein Verwalter sich wieder über seine Arbeit beugte. Dann stand er auf und ging zu seinem Knappen hinüber.
Montgomery hatte Phillip in der Minute ins Herz geschlossen, in der ihn zum ersten Mal gesehen hatte, eine knappe halbe Stunde nach seiner Geburt, als er wie am Spieß geschrien hatte. Er hatte unzählige Stunden damit verbracht, mit dem Jungen zu spielen, hatte über seine Possen gelacht und - das musste er zugeben - den Kleinen mit etlichen Sagen aus seiner Erinnerung unterhalten. Wenn Phillip an Dinge glaubte, die er nicht sehen konnte, dann war hauptsächlich Montgomery daran schuld.
»Lass uns nachschauen, ob das Feuer in der Küche brennt«, sagte er leise und zauste seinem Knappen das Haar. »Wir werden Mistress Pippa ein wenig bei den ständigen Forderungen ihrer Königin helfen, wenn wir können.«
Phillip schenkte ihm ein dankbares Lächeln, wurde aber sofort wieder ernst. »Ganz wie Ihr wollt, Mylord.«
Montgomery blieb stehen. »Verschwiegenheit ist eine ritterliche Tugend, die du anstreben solltest, Phillip. Ich versichere dir, dass sie dir dein Leben lang zugutekommen wird.«
Phillip sah ihn mit seinen klaren, unschuldigen grauen Augen an. »Ist sie Euch auch gut zustattengekommen, Onkel?«
»In mehr Situationen, als du dir vorstellen kannst, mein Junge.« Er wandte sich zur Tür. »Lass uns gehen.«
Phillip schwieg, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Montgomery hatte nichts anderes erwartet und machte sich auf einen neuen Ansturm von Fragen gefasst, die er eigentlich nicht beantworten wollte.
»Ist Cinderella die Feenkönigin, Onkel?«, fragte Phillip leise.
Montgomery sah sich rasch um und konnte niemanden entdecken. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und seufzte tief. »Was denkst du, mein Junge?«
»Ich habe noch nie ein so wunderschönes Kleid gesehen«, sagte Phillip ehrfürchtig. »Und noch nie eine Dame mit Flügeln, obwohl sie diese anscheinend abgenommen und in Eurem Schlafgemach zurückgelassen hat. Aus ihrem Zauberstab und von ihrem Kleid fallen hin und wieder funkelnde Sterne. Mistress Pippa geht dann hinter ihr her und sammelt sie wieder auf. Ich habe mir überlegt, dass das magische Dinge sein könnten, ohne die die Feenkönigin nicht mehr nach Hause zurückkehren kann.« Er trat verlegen von einem Bein aufs andere. »Vielleicht mache ich mir aber auch einfach nur zu viele Gedanken.«
»Eine Schwäche, die wir gemein haben, mein Junge«, gestand Montgomery.
»Sollten wir Mistress Cinderella nicht dabei helfen, in ihr Reich zurückzukehren?«, fragte Phillip. »Gehört das nicht zu unseren ritterlichen Pflichten?«
Montgomery nickte. Dagegen gab es nichts einzuwenden. Natürlich war es seine Pflicht, Persephone und ihrer Herrin -wer auch immer sie in Wahrheit sein mochte — dabei zu helfen, ihren Weg nach Hause zu finden. Die Frage war nur, wo dieses Zuhause lag.
Oder vielmehr, in welcher Zeit es sich befand.
Er ging mit Phillip quer durch den Rittersaal zu dem Gang, der zur Küche führte. Er nahm an, dass Persephone dort war, denn es war fast Mittag, und Cinderella würde etwas zu essen haben wollen. Seit sie sich in seiner Burg aufhielt, hatte sie bei Tisch zwar nicht viel gegessen, aber sie hatte sehr oft Hunger, wie er bemerkt hatte, und sie war immer unzufrieden mit dem, was ihr ihre Zofe brachte.
Es war nicht verwunderlich, dass Persephone so oft ihre Hände zu Fäusten ballte.
Er blieb am Eingang zur Küche stehen und lehnte sich an den Türrahmen. Was er dort sah, hätte ihn normalerweise nicht beeindruckt, aber jetzt erschien ihm der Anblick so friedlich und schön wie kein anderer in den letzten Monaten.
Persephone und Joan standen sich an einem Arbeitstisch gegenüber und schnitten Gemüse. Joan plapperte unaufhörlich, was sie in letzter Zeit oft tat, seit sie den Holzlöffel des Kochs nicht mehr zu spüren bekam. Persephone - nein, er wollte sie Pippa nennen, weil das im Augenblick besser zu ihr zu passen schien - hörte ihr mit einem leichten Lächeln zu. Aus irgendeinem
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