Meine 500 besten Freunde
angesiedelt im Schwabing der Strauß-Ära
– einer Schauspielerin, deren ursprüngliches Gesicht Luise zufolge etlichen Schönheitsoperationen zum Opfer gefallen ist (Theodor wäre von selbst nie darauf gekommen, muss aber zugeben, dass sie anders aussieht als zu Zadeks Glanzzeiten)
– der gefürchteten Theaterkritikerin der Münchener Konkurrenzzeitung, einer hageren Frau, die nichts auf der Welt so zu hassen scheint wie das Theater
– Bea, der Literaquo, der Lturkritikerin des Feuilletons seiner Zeitung, die er abends nie erkennt, weshalb es jedesmal einer Einflüsterung von Luise bedarf
– den beiden Christians aus seinem Ressort: Christian A., ein begabter Schreiber, dem es allerdings Theodors Meinung nach an Temperament und Leidenschaft fehlt; und Christian K., dem eine gute Pointe über genaue Recherche geht, was ihm in der Leserschaft viel Sympathie einbringt, im Kollegenkreis aber für Stirnrunzeln sorgt, vor allem bei den üblichen Bedenkenträgern, einer Fraktion, der sich Theodor jedoch nicht zurechnet.
Seinen Chefredakteur, Winnibert Köhler, kann Theodor nirgends entdecken, dafür ist aber dessen Ehefrau nicht zu übersehen: Natascha Köhler, geborene von Bismarck, die auf ihren Absätzen die meisten der anwesenden Männer überragt. Sie ist ein Naturereignis in Sachen Socialising, wobei Luise einmal, vielleicht nicht zu Unrecht, darauf hingewiesen hatte, dass die Leute, die sie pausenlos umschwirrten, in Wahrheit natürlich ihren Mann meinten. (Macht macht interessant, hatte sie wörtlich gesagt und die Augen verdreht.)
Im Vorbeigehen nickt Theodor auch dem Schriftsteller Viktor M. zu, dessen bislang einzigen Roman er nie gelesen hat, weil der Hype, der um dessen Veröffentlichung gemacht wurde, ihm jede Lust auf die Lektüre nahm. Der als arrogant geltende junge Mann steht gerade im Gespräch mit einer anderen Kollegin von ihm, der sehr jungen und sehr blonden Janine Schimmelpfennig, einer Art weiblicher Houellebecq für Teenager, deren Buch Theodor gelesen hat, allerdings nur bis Seite 3, weshalb er angelegentlich zur Seite sieht, als ihr Blick den seinen zu treffen versucht.
Inzwischen haben Theodor und Luise die Säulenhalle hinter sich gelassen und sind inmitten der trägen Menge ins Innere des Gebäudes gelangt. Sie befinden sich gerade etwa in der Mitte des Entrées, als Luise plötzlich an ihr Handy geht, das in ihrer Handtasche vibriert haben muss. Ihre ohnehin nicht sonderlich helle Miene verdunkelt sich jäh. Da sie während des Gesprächs aber den Kopf von ihrem Mann abwendet, kann dieser nicht erraten, wer am anderen Ende ist oder worum es gehen mag. Er setzt also seinen allein mit den Mitteln der Mimik ausgetragenen Begrüßungsreigen fort und wird von einem Kollegen aus der Sportredaktion, der auch für eine »Edelfeder« nominiert ist, in ein Gespräch über den jüngsten Bundesliga-Wettskandal verwickelt. Als er wieder zu seiner Frau hinübersieht, ist diese verschwunden. Theodor ist beunruhigt, wird in diesem Moment jedoch von einem ehemaligen Kollegen aus München begrüßt, der ihm ein Glas Champagner hinhält, das dieser für wiederum seine Frau organisiert hat, die offenbar ebenfalls im Gedränge verloren gegangen ist. Beim ersten Schluck entpuppt sich das Getränk jedoch als Prosecco, weshalb Theodor es umgehend entsorgt, indem er es möglichst unauffällig auf einen der mit Sand gefüllten Standaschenbecher stellt. Theodor würde jetzt gerne eine Zigarette rauchen, aber er hat vor zehn Tagen mit dem Rauchen aufgehört und ist fest gewillt, es diesmal zu schaffen. Die morgendlichen Hustenanfälle sind schon abgeklungen, und eigentlich glaubt er sich über den Berg. Er winkt also ab, als der Münchner ihm seine Packung hinhält und lässt sich in der Menge weiter in Richtung Saal treiben.
Inzwischen ist er zu der Überzeugung gelangt, dass er mit seinem schwarzen Anzug angemessen gekleidet ist, er hat sogar einen Mann im Smoking vorbeigehen sehen. Die Damen erscheinen Theodor auch alle sehr schick, vor allem für Berliner Verhältnisse. Von Weitem meint er, den Außenminister zu sehen, der sich im Näherkommen jedoch nur als ein unbedeutender Intellektueller entpuppt, der Theodor zerstreut gr an ichtreut gßt. Inzwischen hat es bereits zweimal geläutet, wo nur Luise bleibt? Nachdem Theodor sich mehrmals umgesehen hat, ohne sie entdecken zu können, bleibt er stehen und entnimmt seiner Jacketttasche die Eintrittskarten. Reihe 2, Platz 13 und 14. Er findet, dass das sehr
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