Meine erste Luege
wie Asturien oder Austria, abstruse Gebiete auf einem Atlas, der schon seit Hunderten von Kriegen nicht mehr gilt. Australien liegt »o mein Liebster, mein Allerliebster, auf der anderen Seite der Welt, und wenn es hier dunkel ist, scheint dort die Sonne, wenn hier Winter ist, ist dort Sommer.«
Das Australien der Kängurus und Schnabeltiere.
Und Mama, die nie Lust hat, irgendwohin zu fahren, mit einer Flüsterstimme, fast wie ein Flügelschlag:
»Und Paradiesvögel, kannst du dir das vorstellen? Das muss das Paradies auf Erden sein, vielleicht sollten wir alle nach Australien gehen.«
Wer weiÃ, ob es Kolly gefallen würde, dahin zurückzukehren, wo er herkommt, und auf Eukalyptusbäume zu klettern.
»Was sagst du dazu, Kolly? Hättest du Lust, deine Verwandten auf der anderen Seite der Welt zu besuchen?«
So, wie die Lage ist, könnten wir auch bei Mama schlafen, aber wenn sie dann wirklich tot ist, weià ich nicht, ob ich nah bei ihr sein will. Wenn sie tot ist, ist sie schon ein Engel, und dann kommt sie, ohne dass ich die Schritte auf dem Parkett hören kann, ohne gegen die Möbel zu stoÃen, ohne sich an den Kanten zu verletzen. Sie kommt in einem Nachthemd aus dünnem Stoff, und wie ein Schutzengel macht sie, dass ich schöne Träume habe, sie bewegt sich wie ein Rapper, mit einem Gleiten, ohne den Boden zu berühren. Ich weià nicht einmal, ob es Schutzengel gibt. Sie erzählen dir eine Menge, mit der Entschuldigung, dass dir Geschichten doch gut gefallen, aber du weiÃt nie ganz genau, ob sie wahr sind oder nicht. Es könnte auch sein, dass Mama sich in einen Zombie verwandelt, ich fühle mich jetzt auch wie ein Zombie, aber Mama ist zu schön, um ein Monster zu werden. Das ist sie nie gewesen, auch wenn sie wütend ist und ein böses Gesicht macht, im Grunde geht es bei ihr schnell vorbei, und sie wird wieder lieb. Auch jetzt ist sie lieb, sie hat nur vergessen, wach zu werden.
Die GroÃen vergessen eine Menge. Vor allem untereinander. Sie sehen sich eine Zeit lang, telefonieren, reden, nennen sich Liebling und Schatz und vergessen sich dann gegenseitig.
»Menschen verschwinden manchmal in der Versenkung.«
Die Versenkung ist wie ein langer Gang, nur nach unten, ein Loch wie die, wo man auf dem Treppenabsatz den Müll reinwirft, mit rauen Betonwänden und einer glänzenden grauen Klappe, wie ein schmollender Mund. Die Leute fallen mit einem Plumps wie Pudding rein und bleiben dann da, einer auf dem anderen zusammengequetscht, und warten darauf, dass sich jemand fragt, wo sie abgeblieben sind.
»Also, erinnerst du dich an diesen einen Typen, wie hieà der noch mal? Was wohl aus dem geworden ist?«
Dieser eine Typ, wie mein Vater, oder vielleicht ist er ja mein Vater.
Ich glaube, wir sind auch bei welchen in der Versenkung verschwunden, weil man sucht nicht besonders nach uns, nach Mama und mir. Vielleicht weil sie immer so traurig ist, und wenn sie traurig ist, ist sie nicht sehr lustig, man muss sie sehr gern haben, um sie zu ertragen. Sie muss echt deine Mama sein, damit du trotzdem zufrieden bist, es bleibt dir gar nichts anderes übrig, es ist die Einzige, die du hast.
Bestimmt sind wir in die Erinnerungslöcher der Papas gefallen, in das von meinem echten und auch in die der anderen, der Papa-Kandidaten. Jetzt kommt es mir so vor, als ob wirklich alle alles vergessen haben, dass die Welt ganz weit weg ist, wie in Fantasy-Filmen, wenn du die Planeten von einem anderen Planeten aus siehst.
Ich bin sicher, dass es auf den anderen Planeten viel Leben gibt und dass wir Lichtjahre davon entfernt sind, hier, in der Megagalaxie vom siebten Stock.
Auf der anderen StraÃenseite sind erleuchtete Fenster und Leute, die Teller aus dem Esszimmer in die Küche tragen, da laufen Fernseher mit einem unregelmäÃigen bläulichen Flimmern, aber Mama und ich, wir haben den Kontakt verloren, das sagt auch Mama.
»Du weiÃt doch, wie es ist, es ist in dieser Stadt so leicht, den Kontakt zu verlieren.«
Man bräuchte eine Superfernbedienung, um in so ein Wohnzimmer zu kommen, wo die groÃen Familien bei einem schönen Film Popcorn essen, wo sie groÃe Weihnachten mit groÃen Weihnachtsbäumen feiern, die mit ihrer vergoldeten Spitze die Decke berühren.
Ich hasse Weihnachten, weil nie irgendwas von alldem passiert. Ich hasse die kandierten Früchte im Panettone, ich hasse die verkrüppelten
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