Meine gute alte Zeit - Teil I
seine Frau zu werden.
Es ist typisch für meine Mutter, dass sie ihn ohne Z ö gern abwies.
»Warum eigentlich?«, fragte ich sie einmal.
»Weil ich rundlich war«, gab sie mir zur Antwort.
Ein außergewöhnlicher, aber für sie durchaus triftiger Grund.
Mein Vater ließ es sich nicht verdrießen. Er kam ein zweites Mal, und bei dieser Gelegenheit überwand meine Mutter ihre Zweifel und willigte, wenn auch zögernd, ein, seine Frau zu werden – nicht ohne die Befürc h tung zu äußern, er würde »von ihr enttäuscht« sein.
So heiratete sie also, und auf dem Hochzeitsbild, das ich b e sitze, ist ein ernstes, liebreizendes Gesicht mit dunklem Haar und großen haselnus s braunen Augen zu sehen.
Bevor meine Schwester geboren wurde, gingen sie nach Torquay, damals ein elegantes Seebad, das jenes Ansehen g e noss, zu dem später die Riviera gelangte, und mieteten dort möblierte Zimmer. Mein Vater war von Torquay begeistert. Er liebte das Meer. Einige seiner Freunde le b ten in Torquay, a n dere, Amerikaner, verbrachten dort den Winter. Meine Schwester Madge wurde in Torquay geboren, und bald danach schifften sich meine Eltern nach Amerika ein, wo sie ihren ständigen Wohnsitz zu nehmen gedachten. Vaters Großeltern lebten noch, und er hing sehr an ihnen. Sie konnten es kaum erwarten, seine Frau und sein Töchterchen zu sehen. Während i h res Aufenthalts in Amerika wurde mein Bruder geboren. Einige Zeit später beschloss Vater, nach England zurüc k zukehren. Kaum war er dort eingetroffen, riefen ihn g e schäftliche Schwieri g keiten wieder nach New York. Er schlug Mutter vor, in Torquay ein möbliertes Haus zu nehmen und da auf seine Rückkehr zu warten.
Also ging Mutter sich möblierte Häuser in Torquay a n sehen. Sie kam wieder und verkündete triumphierend: »Fred, ich habe ein Haus g e kauft.«
Vater wäre beinahe vom Stuhl gefallen. Er hatte immer noch die A b sicht, in Amerika zu leben.
»Aber warum hast du das getan?«, fragte er.
»Weil es mir gefallen hat«, antwortete Mutter.
Wie sich herausstellte, hatte sie etwa fünfunddreißig Häuser besic h tigt, doch nur eines gefiel ihr. Die Besitzer wollten es aber nicht vermieten, sondern verkaufen. Da r aufhin wandte sich Mutter, die von ihrem Stiefvater zwe i tausend Pfund geerbt hatte, an meine Tante, die ihr Sachwalter war, und zusammen kauften sie unverzüglich das Haus.
»Aber wir bleiben doch nur ein Jahr«, stöhnte Vater, »allerhöch s tens!«
Mutter, von der wir immer behaupteten, sie besäße hel l seherische F ä higkeiten, antwortete, dass sie es ja wieder verkaufen könnten. Aber vie l leicht ahnte sie schon, dass ihre Familie noch viele Jahre in diesem Haus wohnen bleiben würde.
»Ich war gleich in das Haus verliebt, als ich es betrat«, rech t fertigte sie sich, »es hat eine wunderbar friedliche Atmosph ä re.«
Das Haus gehörte einer Familie namens Brown. Es w a ren Quäker, und als Mutter Mrs Brown zögernd ihr B e dauern darüber aussprach, dass sie das Haus nun verla s sen müssten, in dem sie so lange Jahre gewohnt ha t ten, sagte die alte Dame in sanftem Ton: »Der Gedanke, dass du und dein Kind hier leben werden, macht mich glüc k lich, meine Tochter.« Es klang, sagte Mutter, wie ein S e gensspruch.
Ich glaube wirklich, dass ein Segen auf diesem Haus ruhte. Es war eine ganz gewöhnliche Villa und stand nicht im eleganten Viertel von To r quay – nicht in den Warberrys oder den Lincombes –, sondern am and e ren Ende der Stadt im älteren Teil von Tor Mohun. Damals führte die Straße, an der es stand, fast ohne Übergang in die üppige Lan d schaft Devons mit ihren Feldern und Pfaden. Die Villa trug den Namen »As h field« und ist mit Unterbrechungen mein Leben lang mein Zuhause gew e sen.
Denn Vater ließ sich am Ende doch nicht in Amerika nieder. To r quay gefiel ihm so gut, dass er beschloss, da zu bleiben. Mit seinem Klub, se i nem Whist und seinen Freunden richtete er sich häuslich ein. Mutter hasste es, an der Küste zu leben, gesellschaftliche Veransta l tungen waren ihr zuwider, und sie beherrschte kein einziges Ka r tenspiel. Dennoch lebte sie glücklich im Hause Ashfield, gab große Dinnerpartys und übe r nahm gesellschaftliche Pflichten. An ruhigen Abenden pflegte sie Vater mit u n geduldigem Verlangen über Neuigke i ten aus der Stadt zu befragen und was sich heute im Klub e r eignet hatte.
»Nichts«, antwortete Vater mit heiterer Miene.
»Aber Fred, irgendwer muss doch irgendetwas Intere s
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