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Meine gute alte Zeit - Teil I

Meine gute alte Zeit - Teil I

Titel: Meine gute alte Zeit - Teil I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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so genannten Terpentinbaum, der einen klebrigen, stark riechenden Saft absonderte, den ich sorgsam auf Blä t tern sammelte und für einen »sehr kostbaren Balsam« hielt. Und schlie ß lich, als alles übe r bietende Pracht, die Rotbuche – der größte Baum im ganzen Garten und der liebenswürdige Spender von Bucheckern, die ich mit Vergnügen ve r speiste.
    Der dritte Teil war das Wäldchen. In meiner Vorste l lung war es und ist es heute noch so groß wie ein richt i ger Wald. Ein Pfad schlängelte sich durch das Gehölz, das hauptsächlich aus Eschen bestand und alles b e saß, was zu einem Wald gehört: geheimnisvolles Dunkel, Schrecknis, heimliches Entzücken, Unz u gänglichkeit und weite Ferne…
    Der Pfad führte zum Tennis- oder Krocketplatz, der sich auf einem Plateau vor dem Speisezimmerfenster b e fand. Sobald man aus dem Wäldchen kam, war der Za u ber dahin. Man war in die Welt des Al l tags zurückgekehrt. Die Röcke hochgerafft und mit einer Hand fes t gehalten, spielten die Damen Krocket oder, Strohhüte auf den Köpfen, Tennis.
    Wenn ich die Wonnen des »im Garten Spielens« ausg e kostet hatte, kehrte ich in die Nursery, ins Kinderzimmer, zurück, wo mich Nursie, ein Fixpunkt meines Daseins, erwartete. Vielleicht spielte ich meine Spi e le darum nur neben ihr und um sie herum, nie aber ganz mit ihr, weil sie eine alte Frau war und Rheuma hatte. Ich schuf mir eine eigene Welt und erfand mir meine eigenen Spielg e fährten. Die erste Gruppe – die mir nur mehr als Name erinnerlich ist – war die der »Kätzchen«. Ich weiß heute nicht mehr, wer die »Kätzchen« waren und ob ich selbst dazu gehörte. Eines hieß Klee, ein anderes Schwar z nase, und es gab noch drei andere. Ihre Mutter hatte ich auf den N a men Mrs Benson getauft.
    Nursie war viel zu klug, um mit mir über sie zu reden oder auch nur zu versuchen, sich an den gemurmelten Gesprächen zu beteiligen, die zu ihren Füßen geführt wurden. Wahrschei n lich war sie froh, dass es mir so leichtfiel, mich allein zu unte r halten.
    Und doch war es ein ganz furchtbarer Schock für mich, als ich eines Tages die Treppe vom Garten heraufkam, um meinen Tee zu trinken, und das Hausmädchen Susan sagen hörte:
    »An Spielsachen scheint ihr nicht viel zu liegen, stimmt’s? Womit spielt sie denn nun wirklich?«
    Und Nursies Antwort: »Ach, sie stellt sich vor, sie ist ein Kätzchen und spielt mit anderen Kätzchen.«
    Das Wissen, dass jemand – Nursie nicht ausgenommen – über meine Kätzchen Bescheid wusste, traf mich bis ins Innerste. Ich nahm mir vor, bei meinen Spielen nie wi e der ein Wort laut werden zu lassen. Die Kätzchen waren meine Kät z chen und gehörten nur mir allein.
    Natürlich muss ich Spielzeug gehabt haben. Ich muss sogar eine ganze Menge gehabt haben, denn ich war ein Kind, das zärtlich g e liebt und sehr verwöhnt wurde. Ich erinnere mich an einige Puppen: an Phoebe, die ich nicht allzu sehr mochte, und an eine andere, die Rosalind hieß oder Rosy. Sie hatte lange goldblonde Haare, und ich fand sie ganz wu n derschön, aber ich spielte nicht viel mit ihr. Die Kätzchen waren mir lieber.
    Nach den Kätzchen kam Mrs Green. Mrs Green hatte hundert Kinder, und die für mich wichtigsten hießen P u del, Hör n chen und Baum. Diese drei begleiteten mich bei allen meinen Heldentaten im Garten. Sie waren keine richtigen Kinder und keine richtigen Hunde, sondern eine nicht näher zu beschre i bende Mischung aus beiden.
    Wie alle gut erzogenen Kinder musste auch ich einmal am Tag »e i nen Spaziergang machen«. Das tat ich höchst ungern. Insbesondere war es mir zuwider, dass ich mir die Stiefelchen zuknöpfen musste – eine leider unerlässl i che Prozedur. Ich trödelte und ließ die Füße schleifen und stand es überhaupt nur durch, wenn Nursie mir G e schichten erzählte. Es waren insgesamt sechs Geschic h ten, die ihr R e pertoire ausmachten und die all die Kinder der verschiedenen Familien, bei denen sie gedient ha t te, in den Mittelpunkt stellten. Ich habe keine im Gedächtnis behalten, aber ich weiß noch, dass eine mit e i nem Tiger in Indien zu tun hatte, eine andere mit Affen und eine dritte mit einer Schlange. Es waren sehr aufregende Geschic h ten, und ich durfte mir aussuchen, welche ich hören wol l te. Nursie wiederholte sie immer wieder, ohne das g e ringste Ze i chen von Überdruss erkennen zu lassen.
    Manchmal – und das war eine besondere Vergünstigung – durfte ich Nursie ihre schneeweiße Rüschenhaube

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