Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen
aussäen müssen. Davon stand aber nichts auf dem Sack. Ich habe es im Frühjahr ausgesät, und die Katastrophe war
perfekt. Na ja, selber schuld. Ich habe halt den Gürtel enger geschnallt, ich musste ja auch ohne Ernte die Pacht für das
Feld zahlen.
Das waren zwar keine genmanipulierten Sorten, aber trotzdem irgendein Mist, keinen Cent wert. Die Wissenschaftler vom Staatlichen
Landwirtschaftsinstitut (INRA) und so, die scheren sich doch nicht um uns in unserem »Loch«. Das Getreide meines Vaters und
meinerVorfahren hätte mir eine gute Ernte beschert, wenn ich es nicht »verraten« hätte, um das zu tun, was alle tun. Dann müsste
ich mir heute keine Sorgen machen.
Sie nehmen auch keine richtige Selektion mehr vor, sondern konservieren das Getreide nur noch. Gut gemeint, aber … Das ist wie der Unterschied zwischen frischer Gänsestopfleber und der aus der Dose, zwischen hausgemachter Rillette und
solcher aus dem Glas. Auch die INRA überzieht das Getreide mit einer hauchdünnen Schicht. Ich weiß das, ich probiere schließlich
alles. Ein unbehandeltes Korn schmilzt im Mund wie ein Bonbon, an dem von der INRA kannst du dir die Zähne ausbeißen.
Glücklicherweise bin ich nur beim Weizen auf die reingefallen. Das andere Saatgut ist noch das, was ich ererbt habe. Das ist
robust, nie gab es Probleme mit irgendwelchen Pflanzenkrankheiten. Nach dem 15. August, wenn man das vorher beinharte Getreide beißen kann, ohne dass es weich wird, ist der richtige Zeitpunkt, um es mit
der Sense zu schneiden. Man legt es so hin, dass die Ähre in Windrichtung zeigt. Zwei Armvoll geben eine Garbe. Auch die richtet
man nach dem Wind aus, sonst bläst er einem alles um, und man kann wieder von vorn anfangen.
So trocknet das Getreide besser. Liegt es nicht richtig, fängt es an zu schimmeln. Wenn alles geschnitten ist, bindet man
die Halme mit Stroh zusammen. Ein Band für jede Garbe.
Eine Stunde später werden die Garben gewendet, damit sie die Sonne auch von der anderen Seite zu sehen bekommen. Dann stellt
man sie zu
trésiaux
zusammen. Das heißt »Weiblein«. Eine Garbe kommt in die Mitte und vier andere lehnen drumherum. Das macht man mitdreißig bis vierzig Garben. Auf diesen Haufen baut man die sogenannte »Kaplanin«, indem man die letzten umgekehrt draufstellt.
Sie bilden eine Art »Kapuze«, sodass das Wasser nicht in den Haufen hineinrinnt.
Der ganz große Haufen zählt am Ende etwa sechshundert Garben. Die letzten schichtet man mit der Leiter auf, so hoch wird der
Stapel. Und wenn das Fundament nicht stimmt, war alles umsonst. Natürlich muss der Haufen möglichst gerade stehen, sonst fällt
er um. Papa schimpfte uns immer, dass unser Haufen schief steht, dabei stand seiner auch schief, aber wir haben natürlich
nichts gesagt, sondern uns nur unseren Teil gedacht.
Wir hatten schließlich Angst vor unserem Vater.
Dann kam die Dreschmaschine, die wir mit dem Bernard-Motor unseres Onkels betrieben. 1961 haben wir dann den Traktor genommen.
Die Dreschmaschine funktioniert heute noch. Man legt ein Tuch darunter und hält Nachlese. Mit dem Tuch fängt man die herumspringenden
Körner auf. Die Maschine stammt aus einem Schiffbruch, der schon Jahrzehnte zurückliegt, von einem Handelsschiff. Mein Urgroßvater
hatte sie geborgen.
Nach der Heuernte wird das Bauernleben ein wenig ruhiger. Der Körper hat unter den sengenden Sonne viel Kraft verbraucht.
Hier bei uns gibt es ein geflügeltes Wort, das heißt: »Nach der Heuernte kann man sich zur Ruhe begeben.«
Wenn die Speicher voll sind, sind die Leute glücklich und beruhigt. Die Heuernte ist unser Lohn. Die Pferde, die uns zu jener
Zeit halfen, die Ernte einzubringen, hatten keinen Hafer erwischt. Der macht sie nämlich irre. Sie dürfen nur Gras und Heu
fressen. Aber Tier und Mensch waren zufrieden miteinander. Jeder hatte seinenPlatz. Nicht einmal schlechtes Wetter hätte uns die Laune verderben können.
Das Bauer-Sein kann man erst nach der Heuernte so richtig genießen.
Ah, meine Kühe!
Früher hielten wir normannische Kühe, sie hatten ein weißes Fell mit roten Flecken. Sie fraßen nur Blumen, deshalb waren sie
so schön. Man konnte sie als Fleisch- oder Milchvieh halten. Siebenhundert bis achthundert Kilo Intelligenz. Ihre Augen waren
dunkelbraun umrandet, das sah aus, als hätten sie Sonnenbrillen auf. Die gebogenen Hörner konnten einem schon gefährlich werden,
daher habe ich sie etwas abgesägt und
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