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Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Titel: Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Bedel
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Das sind nicht etwa weite Felder, die sich insUnendliche erstrecken. Man braucht keine Stunde, um sie zu überqueren. Ein paar Schritte reichen schon.
    Wenn die Saat zu keimen anfängt, gehe ich oft aufs Feld, um zu schauen. Ich spüre einfach, wie sie unter der Erde wächst,
     das kann ich nicht anders erklären. Dafür muss man ein Gefühl haben.
    Wenn ich manchmal an modern bewirtschafteten Feldern vorbeikomme, spüre ich, wie die Pestizide sie durchsetzen. Ich wühle
     mit der Hand in der Erde, hole eine Handvoll heraus und rieche daran: Sie stinkt. Der Boden hat eine Ausdünstung, an die ich
     nicht gewöhnt bin, und die noch früh genug auf uns zukommt, einen Geruch nach Friedhof. Er fault vor sich hin. Die Tiere,
     die Pflanzen, alles darin verfault. Wenn man die Regenwürmer und andere Kleintiere riecht, das ist wie Riechen am Tang: wie
     eine frische Brise, die deinen Körper durchdringt.
    Wenn alles zu keimen anfängt, halte ich meine Nase in den Wind, aber im Grunde weiß ich es längst. Das ist wie eine Art Vision,
     die mich überkommt, eine Vision von der Natur und von dem, was meine Arbeit bringen wird – wenn sie getan ist. Und natürlich
     braucht es dazu noch so einiges, Regen zum Beispiel und auch Sonnenschein.
    Dann sieht man mich auf den Feldern, ich streiche über die Blättchen, probiere alles. Man könnte meinen, ich hätte den Verstand
     verloren.
    Glücklicherweise sieht mich niemand, weil meine Mäuerchen mich decken.

Felder voller Steine
    Natürlich werfen wir auch die Steine nicht weg. Gar nichts werfen wir hier weg. Die Steine kommen immer ans Licht. Je mehr
     man aufsammelt, desto mehr werden es.
    Die Steine, mit denen wir die Mäuerchen um unsere Felder errichten, sind »von hier«, nur ein paar werden bei Niedrigwasser
     draußen eingesammelt. Wenn ich bei Ebbe einen schönen finde, setze ich ihn in der Mauer ein, auch wenn es ein grober Klotz
     ist. Irgendwann kann ich ihn sicher gebrauchen.
    Ich mörtele sie nicht ein, kein bisschen. Ich habe ungefähr vierhundert Meter Mauer errichtet, beim Semaphore, dem alten Wettersignal.
     Das ist ganz schön viel und ich habe fast zwanzig Jahre dazu gebraucht. An den Mauern haben viele Hände gearbeitet. Die Deutschen
     haben sie 1941 im Krieg dem Erdboden gleichgemacht, und ich habe immer versucht, die Kriegsschäden wieder auszubügeln. Wenn
     ich jetzt wieder an diese Orte komme, die sie einst zerstört hatten, kann ich wenigstens vergessen, dass sie da waren.
    Je gröber und krummer eine Mauer wirkt, desto besser gefällt sie dir, ungelogen. Und so macht man das: Die Steine müssen gut
     halten, also lernst du, welche du brauchen kannst und das siehst du dann schon von Weitem. Dann ruft es in dir: Ja, das ist
     er!
    Damit ein Mensch so wird wie ich, braucht es Zeit.Bei den Mauern ist das genauso. Man braucht keinen Mörtel, um sie aufzurichten: nur die Hände, ein gutes Auge und das Erdreich,
     das ist alles. Keinen Meterstab und keine Wasserwaage. Die Steine finden von selbst ihren Platz.
    Die Typen von der Küste bauen jetzt unsere Mauern nach, aber die nehmen Mörtel. Und das darf man nicht, wenn es schön sein
     soll. Sie verstehen uns einfach nicht. Eine schöne Mauer in La Hague muss schief sein. Unsere Mauern sind wie die Leute hier
     mit ihren großen Nasen. Weniger schön als La Hague mit seinen Landschaften, aber solide und freundlich. Und das Auge für den
     Stein, das hast du oder du hast es nicht. Das kann man nicht in der Schule lernen. Das hast du im Blut. Du weißt genau, wenn
     du den Stein in der Hand hältst: Die Mauer wird was!

Getreide
    Mein Weizen: der »Stoppelbart«, seit Jahrzehnten handverlesen von meinen Vorfahren. Wir haben ihn nie behandelt. Er war immer
     so robust. Jahr für Jahr habe ich zwei Säcke für die Aussaat beiseitegestellt. Irgendwann mal habe ich damit aufgehört und
     zwei Säcke Saatgut gekauft. Ich habe mich bequatschen lassen. Das war auch das einzige Jahr, in dem ich es (allerdings nur
     auf einem Feld) mit Kunstdünger versucht habe. Und so habe ich meinen »Stoppelbart« verloren, für immer.
    Man sagte mir ja immer, dass ich ein altes Fossil und gegen den Fortschritt bin. Paul mit seinen kleinen Körnern. In eine
     Handvoll passten mindestens fünfzig Stück, während von dem heutigen Getreide höchstens zwanzig Körner eine Handvoll ergeben.
     Aber so rechnet man ja heute nicht mehr. Ich habe nicht gemerkt, dass man mir Wintergetreide verkauft hatte. Das hätte man
     im November

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