Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen
Rakete. Die Schwestern rannten ihr über die ganze Weide nach, weil sie dachten, ich hätte noch keine
Gelegenheit gehabt, sie zu spritzen. Ich lachte mir eins, als ich sie da hinter der wütenden Kuh herlaufen sah.
Mauvaise
(die Schlimme): Ach, was die mir an Tritten verpasst hat! Ihre Kolleginnen hat sie immer mit den Hörnern gestoßen. Aber als
sie weg war, hat sie mir wirklich sehr gefehlt.
La Vigie
(der Ausguck): Ihre Mutter hatte sie in der Nähe des Semaphor zur Welt gebracht, ohne Hilfe, ohne alles. Sie war meine Lieblingskuh,
ein mieser Charakter, aber treu. Sie hat viel Milch gegeben. Und man hatte immer den Eindruck, als würde sie mit einem reden.
Ich hätte sie behalten sollen. Dann hätte sie hin und wieder ein Kälbchen bekommen können.
Petit Bouc
(kleiner Bock),
Petits-Sabots
(die Kleinhufige),
Vieille Blanche
(alte Weiße),
Rouge
(die Rote) …
Das waren alles meine Kühe, doch am 9. Oktober 2004 war Schluss.
Am 2. November 2003 habe ich zwei Kälber sowie die
Copine
und die
Biche
verkauft, für 1204 Euro und 35 Cent.
Petit Bouc
und
Petits-Sabots
kamen 2004 dran.
Die drei letzten, die
Blanche
, die
Vigie
und die, die der
Crampon
so ähnelte, sind dann am 9. Oktober 2004 weggegangen. Ich habe nicht um den Preis gefeilscht und wollte nicht wissen, um wie viel der Händler sie weiterverkaufte.
Deshalb habe ich auch keine Ahnung, ob sie zu einem anderen Bauern oder in den Schlachthof gekommen sind. Ein paar Tage vor
dem Verkauf habe ich ihnen aus meinen letzten Schnüren noch schöne Stricke gedreht. Das war mein letztes Geschenk.
Als sie den Lastwagen sahen, sind sie ans andere Ende der Weide geflüchtet. Ich musste sie selbst holen. Dann habe ich mich
im Haus versteckt, weil mir die Tränen über die Wangen liefen. Die
Vigie
hat noch so lange gemuht. Das werde ich nie vergessen.
Ich habe mich danach lange in meinem Zimmer zurückgezogen. So kannte ich mich gar nicht. Ein paar Monate lang hat es mich
schier verrückt gemacht, wenn ich die Tiere der anderen sah, wenn ich über das Fell der Kälber strich. Ich bedaure jetzt,
dass ich die
Vigie
nicht behalten habe. Sie fehlt mir. Dann hätten wir heute noch ein bisschen eigene Butter und Sahne. Seitdem ich die Kühe
verkauft habe, mag ich keine Sahne mehr.
Informationen zum Buch
Paul Bedel lebt auf einer Halbinsel in der Normandie. Hier wurde er geboren und hier hat er sein arbeitsreiches Leben verbracht.
Auf anrührende Weise erzählt er von seinem Leben als einfacher Bauer, seiner Achtung vor der Natur, von seinen Kühen, die
alle einen Namen hatten, der zu ihrem Charakter passte, von seinem Gemüse, das er nie mit Pestiziden behandelte, von der Freude
am Angeln und dem Genuss des Fischessens. Bedel lässt den Leser aber auch an seinen Gedanken über das Leben, die Liebe und
das Universum teilhaben und eröffnet ihm tiefe Einblicke in seine Seele. Bedel betrachtet die Welt voller Humor und Weisheit
und vermittelt uns so ein Gefühl für die Stimme der Erde, die Schönheit und Wildheit des Meeres sowie für die große Stille,
die wir in unserer modernen Welt kaum noch wahrnehmen können.
Informationen zum Autor
Paul Bedel
, geb. 1930, lebt auf der Halbinsel Cotentin in der Nähe von La Hague. Durch die Ausstrahlung eines Dokumentarfilms über ihn
ist er in Frankreich berühmt geworden. Häufig wird er eingeladen, um Vorträge zu halten, und jedes Jahr besuchen ihn nun Hunderte
von Menschen, die er in sein bescheidenes Haus einlädt.
Catherine École-Boivin
ist Historikerin und Biografin und lebt in Nantes.
Fußnoten
Vorwort
1
Claudie Gallay ist eine der populärsten Schriftstellerinnen Frankreichs. Auf Deutsch ist von ihr 2010 erschienen: Die Brandungswelle.
Der Meereswechsel
1
Es wird am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsbeginn gefeiert, A. d. Ü.
Großvater Bedel
1
faire la toilette
bedeutet im Französischen »Toilette machen«, also sich frisieren, ankleiden und so weiter.
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