Meine Philosophie lebendiger Gaerten
rollenklischeehaft wie die drei Ks, Kinder, Kirche, Küche, aber tatsächlich sind die Männer eher die Sachverwalter von Grill, Rasenmäher und Motorsäge. Pflanzen, Blumen, Unkraut - das sind die Domänen der Frauen. Und für Kinder kann es zur Strafe werden, im Garten zu wirken.
In England hingegen ist der Garten alles andere als unmännlich. Englische Männer fachsimpeln gern über Dünger und Rosensorten und natürlich über Maulwürfe. Offenbar sind englische Männer generell femininer, denn selbst unter Bankern und Wirtschaftstycoonen sind Blumensorten ein Thema. Garten verbindet Arm und Reich, Jung und Alt, Männer und Frauen, sogar Fußballer und Operndiven.
Das feuchte und milde Klima ist natürlich ein Heimvorteil für die Engländer mit ihrem Nebel und Nieselregen und der erträglichen Kälte im Winter. Während der Temperaturunterschied auf der Insel kaum mehr als dreißig Grad Celsius beträgt - zwischen den Sommern mit fünfundzwanzig Grad und einem Winter mit kaum weniger als minus fünf oder acht Grad -, kann eine Berliner Pflanze durchaus der doppelten Temperaturschwankung ausgesetzt sein: von vierzig Grad im Sommer bis zu minus zwanzig im Winter. Daher können die englischen Gärtner fast zwei Drittel mehr Pflanzen verwenden und tun das auch, ein Großteil der Flora von ganz Neuseeland und Australien kann hier überwintern, zudem Pflanzen aus Afrika und der Karibik.
Aber mit dieser größeren Auswahl wüssten wir hier momentan auch kaum etwas anzufangen. Was nicht zum Heidekraut passt, wird erst einmal mit Skepsis betrachtet. Ich bezweifle, dass wir das Potenzial, das uns mit unseren mitteleuropäischen Pflanzen zur Verfügung steht, überhaupt jemals entdeckt, geschweige denn schon einmal ausprobiert haben, denn hier wurde in den vergangenen sechzig Jahren nicht aktiv gegärtnert. Wenn Landschaftsarchitekten ihren Kunden das Gärtnern einmal schmackhaft machen wollten und sich trauten, eine Staudenrabatte zu pflanzen, ernteten sie Widerspruch: Man wolle doch nicht so viel Arbeit haben, es solle bitteschön pflegeleicht sein, lieber Efeu bitte.
Das eigentliche Geheimnis im Umgang mit dem Garten liegt darin, dass der Engländer außerordentlich viel in seinen Garten hineingibt: Geduld, Liebe und ständige lustvolle Pflege -
er füttert ihn regelrecht damit. Und zweifellos investiert er auch Geld, aber das ist hier Mittel zum Zweck, nicht heiliger Mittelpunkt. Unserer Mentalität entspricht es hingegen eher, dass wir eine Pflanze in den Boden stecken, und diese soll möglichst sofort etwas bringen. Geht sie aber ein, geben wir entweder gleich wieder auf oder versuchen es erneut - vorzugsweise mit der gleichen Pflanze, der es gerade an dieser Stelle nicht gefallen hat. Geht die neue wieder ein, kommt der nächste Versuch - das wäre doch gelacht, wenn wir das nicht schafften. Doch jeder erneute Versuch ist ein Versuch zu viel.
Der Engländer hat für so eine Situation eine andere Philosophie entwickelt. Geht etwas ein, nimmt er das zur Kenntnis: »Platz für etwas Neues«, sagt er sich, geht in den nächsten Laden und kauft, was ihm gerade gefällt, was ihn anspricht oder was er schon lange haben wollte, und nutzt dafür die frei gewordene Stelle im Beet.
Apropos Kaufen, etwas liegt uns Deutschen offenbar im Blut: der Preisvergleich. Wer vor dem Pflanzenangebot steht, schaut erst einmal auf das Preisschild: teuer! Oder auch mal: billig! Sorry: preiswert. Der Preis entscheidet über den Kauf. Kürzlich erst in der Gartenakademie: »Guck mal, die Blume hier, die kostet drei Euro, die habe ich gestern für zwei Euro woanders gesehen.«
»Wissen Sie, was das für eine Blume ist?«, frage ich. »Nein.«
Das ist offenbar völlig unwichtig. Diese kostet drei Euro, die von gestern zwei, und das ist nun ein echtes Problem.
Der Engländer schaut ebenfalls auf das Schild, aber auf die Seite mit dem Namen. Er will wissen, wie die Pflanze heißt, die ihm hier so gut gefällt. So kommt es, dass der Gartenliebhaber auf der britischen Insel über ein ungeheuer großes Repertoire an Pflanzennamen und damit Pflanzenkenntnis verfügt. Was gefällt, wird gekauft. Oft erfährt er den Preis erst an der Kasse.
Aus meiner Sicht ist die Balance zwischen Hardware und Software im Garten, also Hütten und Gartenequipment einerseits im Verhältnis zu den Pflanzen und ihrer Pflege andererseits, erschütternd ungesund. Was sich da so alles im Gartenschuppen den Augen offenbart, macht mich nicht selten sprachlos. Das
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