Meine Philosophie lebendiger Gaerten
mich nach meinem Studium um einen kleineren Job bemüht hatte, saßen da sechs Bewerber in einem Vorraum, man unterhielt sich und tauschte irgendwann die jeweilige Herkunft aus. Der eine kam aus Reading, die anderen von hier und da und dort, und einer drehte sich fragend zu mir um: Aus Kew, sagte ich. »Na, dann können wir ja alle gleich nach Hause gehen«, war die einhellige Meinung, eine durchaus übliche Reaktion, wie ich bald feststellen sollte.
Der eigene Garten - leider Vergangenheit
I n England wohnte ich zwischen London und Bristol in der Grafschaft Oxfordshire, in den Cotswolds, gern als Herz Englands bezeichnet und seit den Sechzigerjahren offiziell als Area of Outstanding Natural Beauty betitelt, als Region außergewöhnlicher Naturschönheit. Ich lebte hier in einem ganz besonderen Ort, der als Ganzes unter Denkmalschutz steht: keine Straßenlaternen, weshalb die Gäste im Dunkeln auch öfters mal in den Straßengraben fielen, riesige Buxus-Hecken vor den Häusern, alles Gemauerte aus dem honigfarbenen Cotswold-Kalkstein, ein Dorf wie bei Rosamunde Pilcher oder Agatha Christie und fast so kitschig. Diese beliebte Filmkulisse gehört zusammen mit etwa vier weiteren Dörfern dem National Trust, einer Organisation mit einigen Millionen Mitgliedern, die sich dem Erhalt solcher Anlagen oder auch Kirchen, Mühlen, Küstenstrichen, aber ebenso Gärten und sogar Sammlungen von Rasenmähern und Fleischklopfern widmet.
Gebaut wurden die Häuser ursprünglich für die Angestellten eines Lords. Zu jedem Dorf gehörte ein Manor House, also ein Herrenhaus, in unserem Dorf war dieses leider abgebrannt. Heute sind die Angestellten des National Trust für den Erhalt dieser Gebäude zuständig. Ich fühlte mich hier sehr privilegiert. Im Ort versteckt sich auch der legendäre Beatles-Produzent George Martin, weshalb die Beatles bis heute, soweit sie noch leben, ab und zu hier vorbeikommen - es ist ein best kept secret , ein wohl gehütetes Geheimnis. Unten auf der Wiese steht noch ein kleines Cottage, in dem die Beatles früher oft für Bandproben zusammengekommen sind.
Mein Garten, das war ein in den über zwanzig Jahren, die ich hier wohnte, gewachsener Garten, in dem ich gemeinsam mit Isabelle Van Groeningen gärtnerische Ideen ausleben konnte, der immer erweitert und ergänzt wurde. Die Grundstruktur war natürlich geplant, Vorgarten, Hausterrasse, Beetanlage, Nutzgarten mit Gemüse, Anzuchtbeete, Plätze zum Sitzen, Staudenrabatte, der Raum für die Hängematte, Hecken, große Apfelbäume - und ganz am Ende des Gartens eine Holzterrasse, genannt die »Gin-Tonic-Terrasse«, weit genug entfernt vom Haus, damit wir bei schönem Wetter den längsten Weg dorthin hatten. Zwei Stühle und ein Tischchen mit dem schönsten Blick hinaus auf die Felder und die Pferdekoppel, auf die traumhafteste Landschaft, die ich kenne - einfach grandios zum abendlichen Sitzen im Sonnenuntergang, zum Vergessen des Alltags.
Und zwischendrin die Hühner. Ja, wir hatten tatsächlich auch Hühner. Das war eine spontane Idee. Nachdem ich sie eines Tages bestellt hatte, fragte Isabelle leicht aufgebracht: »Und wohin sollen die kommen?«
Wir hatten ja keinen Rasen, weil wir nie Rasen wollten. Mein Vorschlag: »Zum Nachbarn, auf seine Wiese ganz hinten, der benutzt die ohnehin nie, und Kinder hat er auch nicht.«
»Aha, aber hast du schon gefragt?«
»Nein, das mache ich, wenn die Hühner da sind. Dann ist es leichter.«
Dann kamen die kleinen kuscheligen Viecher. Ich ging mit ihnen zum Nachbarn, fragte, ob das in Ordnung sei mit dem
Hühnerstall ganz hinten auf seinem Rasen, füttern täten wir sie dann bei uns. Er fand das toll. Genau so sind sie, die Engländer. Es war vielleicht frech, aber es hat funktioniert - lange Zeit jedenfalls. Die Hühner kamen morgens aus ihrem Häuschen zu uns in den Garten zum Füttern und blieben auch über den Tag.
Es waren ganz besondere Hühner, mit denen sich auch der Nachbar schmücken konnte: »Designer«-Hühner! Sie hatten Puschelfüße, mit denen sie nichts kaputt machen konnten, während normale Hühner bekanntlich scharren. Unsere, also der Hahn Henry I., später Henry II., die weiße Matilda, die gescheckte Brunhilde & Co., alle hatten Namen, achteten immer darauf, dass ihre »Moonboots« nicht schmutzig wurden. Einziger Nachteil: Sie vertilgten schneller als wir hinsehen konnten unsere reifen Erdbeeren, was sie allerdings mehr als wettmachten, indem sie den Garten traumhaft schneckenfrei
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