Meine Philosophie lebendiger Gaerten
kann mitunter einem kleineren Gartencenter Konkurrenz machen. Nur Pflanzen gibt es wenig. Gewiss hat auch der Engländer seinen Rasenmäher, wenn er denn einen Rasen besitzt, und auch er liebt seinen Rasenmäher. Wo nur Rasen, Moos, Wiese und Hecke sind, da wartet in der Tat viel Arbeit. Aber der Engländer schaut auch auf seine Beete und Rabatten, wenn dort etwas misslingt, dann akzeptiert er die Entscheidung der Natur und pflanzt etwas anderes. Bei uns gehört zum Garten die nüchterne Bewältigung von Arbeit. Wo der Engländer mit dem Herzen gärtnert und spielerisch mit seinen Pflanzen umgeht, da arbeitet der Deutsche. Wenn wir arbeiten, dann tun wir das mit aller Kraft, viel Energie, nicht selten bis zur Erschöpfung, im Garten zudem sehr rational, oft mit dem Lehrbuch unter dem Arm, und dazu benötigen wir unsere Gerätschaften.
Also noch einmal ein Blick in den Schuppen: Hier steht ein Equipment vom Feinsten, das die Arbeit angeblich leichter macht. Die Schredder, die kaum zum Einsatz kommen, weil es eigentlich gar nichts zum Schreddern gibt. Die Püster zum Laubpusten pusten meist noch den letzten Oberboden vom Beet. Die neuesten Rasenmähermodelle, blitzblanke teure Einzelgeräte, elektrisch oder mit Muskelkraft zu bedienen - das alles hat kaum ein Engländer für seine doppelt so großen Gärten mit der zehnfachen Bepflanzung.
Wir sind technisch verliebt, weil wir glauben, es könnte die Garten-»Arbeit« versüßen. Für dreißig Stauden braucht es nur einen Spaten zum Umgraben und eine Harke, vielleicht ein paar vernünftige Schuhe und, nur für die ganz Empfindlichen, ein Paar Gartenhandschuhe, ein bisschen neue Erde vom Kompost - und dann ab ins Beet mit den Stauden. Was dann vielleicht noch fehlt, ist eine Rosen- und Heckenschere - das kann schon alles sein für einen Garten, der viel Freude schenkt.
In Dingen der Hardware ist der Engländer wesentlich schüchterner; er fragt sich stattdessen, wie er sein kleines oder größeres Paradies erhalten kann. Die Pflege ist der Garten! Sie ähnelt durchaus dem Aufziehen von Kindern: Wenn etwas Großes, etwas Besonderes aus dem Garten werden soll, müssen wir Aufmerksamkeit und Liebe in ihn investieren. Allerdings sollte man sich, wie bei Kindern auch, von Enttäuschungen nicht gleich entmutigen lassen.
In Deutschland versuchen wir noch immer, auf Teufel komm raus den billigsten Gärtner zu finden: Man ist ja
nicht blöde und zahlt dreißig Euro die Stunde, wenn man jemanden haben kann, der das Gleiche für neun Euro macht. Dabei ist nicht bedacht, dass der Neun-Euro-Harker nicht selten dann für neunzig Euro Stauden mit herausharkt. Eine besonders furchterregende Aussage mancher meiner Bauherren ist mir der Satz: »Wir haben einen sehr talentierten Hausmeister, der macht auch den Garten.« Dieser Ausspruch hat mich dazu verleitet, besonders nacktgeharkte Gärten mit dem Hinweis »Hier harkt der Hausmeister« zu kommentieren.
Kaum jemand kann noch richtig Heckenschneiden in unserem Land. Das liegt auch an den Gartenbesitzern selbst, die nicht wissen, was sie von einem guten Gärtner erwarten dürfen. In England werden die Gärtner von ihren Kunden gefordert, weil diese informiert sind. Sie kennen sich aus, sie hören sich um, sie verfolgen die Neuerungen aus der Gartenwelt über die Medien und die Gartenshows. Und so wissen sie, was sie wollen und was sie erwarten dürfen, wenn sie sich an einen Gärtner wenden.
Bewundernswert und eine Freude ist es, die Leichtigkeit zu beobachten, mit der der Engländer sich seinem Garten widmet. Bei uns begegnet mir noch immer zu viel Sachlichkeit, eine geradezu kämpferische Rationalität und Nüchternheit. Hier ist man immer auf der Suche nach dem Richtigen im Garten. Das ist wie die stetige Suche nach der Wahrheit. Aber: Wahrheit aus wessen Sicht? Aus der Sicht der Pflanze? Das könnte bedeuten, dass alles da wachsen soll, wo es wachsen will. Aber passt das in unsere Weltanschauung?
Selbst wenn ich Gartenbücher mit gut gemeinten Anleitungen lese, habe ich oft ein schlechtes Gefühl: Wie schneidet man Rosen »richtig«? Gibt es denn überhaupt den für alle gültigen, den standardisierten richtigen Rosenschnitt? Ich schneide eine Rose so, wie ich eine Rose schneide - und frage mich dabei, während ich mich um die Rose kümmere, während ich mich ihrer annehme, wie es für diese Rose gut ist. Bei einer anderen Rose schneide ich sicherlich anders. Es gibt kein gänzlich Richtig und kein gänzlich Falsch im Garten,
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