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Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Titel: Meine Philosophie lebendiger Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Pape
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hielten.
    Später allerdings haben wir dann doch ein kleines Rasenstück im eigenen Garten für unsere Lieblinge hergerichtet. Aber irgendwann war der Hahn den Nachbarn zu laut, die Hühner legten kaum Eier, wie das die Designer-Hühner so an sich haben - höchstens alle ein bis zwei Wochen mal ein Ei, mühselig, unzuverlässig -, und schließlich hatte auch Popstar Madonna Hühner, die gleichen wie wir, plötzlich waren Designer-Hühner bei allen Schönen und Reichen absolut in. Gründe genug, um unsere Hühner aufzugeben. Vorreiter gewesen zu sein, das war in Ordnung, aber auf der Welle weiter mitschwimmen, das musste nicht sein. Der Dorfzüchter
unserer Hundertachtzig-Seelen-Gemeinde, der sich unserer Hühner, die immerhin eine besondere Züchtung waren, angenommen hatte, schickte später Bilder von ihren Küken. Sie hatten also eine Zukunft.
    In England gab es eine Phase, in der Hühner häufig zum festen Bestandteil des Gartens wurden - nicht gleich dreißig Stück, sondern nur als kleines lebendiges Element: ein Hahn und drei Hennen. Ganz romantisch. Ein Huhn im Garten herumlaufen zu lassen, das gibt ein anderes Lebensgefühl, und es komplettiert das Bild der Gesamtinszenierung »Wohnen auf dem Land«.
    Unser Garten war - nicht ausschließlich, aber auch - zum Experimentieren angelegt. Anfangs war das nicht ganz einfach, weil der Boden durch unsere Vorgänger als unkrautfreies Gelände der DDT-Generation hinterlassen worden war, also ohne Bodenleben. Als er dann wieder zu sich selbst gefunden hatte, erwies sich der Boden als jene traumhafte englische Sorte, bei der man den Finger in den Boden steckt und dann aufpassen muss, dass er nicht anwächst.
    Hier konnten wir Dinge ausprobierten, zu denen wir gerade Lust hatten, wonach uns der Sinn stand. Wir versuchten so oft wie möglich, die neuesten Neuheiten zu bekommen, suchten heraus, was uns gefiel, pflanzten es mal hier, mal dort, beobachteten, wie es sich ausbreitete, wie man die Pflanzen teilen konnte, wie dick oder wie schmal sie wurden und so weiter. Mal wollten wir den weißen Garten vergessen und es mit einer gelben Ecke versuchen oder andere Farben daruntermischen. Geradezu lustvoll sind wir ins Gartencenter gefahren
und haben eingekauft, ziellos. Wir haben uns verführen lasen und nahmen mit, was unsere Aufmerksamkeit auf sich lenkte oder was wir schon immer haben wollten.
    Im Garten geht es ja nicht nur um die Blütezeit einer Pflanze. Ich will auch sehen, wie groß ihre Chance ist, den Winter zu überleben, was in England durchaus anders ist als in Berlin, in Warschau oder gar in Moskau. Und wie sie aussieht, wenn sie verblüht ist, ob sie runtergeschnitten werden muss und damit große, öde Lücken hinterlässt oder ob sie ein Blickfang für den Frost werden kann. Ich will wissen, wie stabil sie ist und ob sie sich nur durch Stäben aufrecht hält, wie weit sie sich um sich selbst kümmert oder ob sie ständig Hilfe von außen benötigt. Ich will erfahren, wie hoch sie wird, denn eine Pflanze, die in den kurzen heißen Sommermonaten Polens über zwei Meter hoch wird, kann gut und gern in England auf sechzig Zentimeter Höhe vor sich hinkümmern. Einige Gräser säen sich im Norden weit weniger aus als im Süden der britischen Insel. Selbst mit einer wunderschönen Rose (Rosa Tuscany Superb) hatten wir uns einmal völlig verschätzt: Sie begann langsam aber sicher den kompletten Vorgarten zu übernehmen und entwickelte Ausläufer, die sich im ganzen Garten zeigten, sogar durch den Asphalt trieb sie ihre Wurzeln. Ihre Ausbreitung geriet zur Katastrophe. Selbst mit tiefem Ausgraben wurde man ihr kaum Herr. Ich war vor dieser Rose gewarnt worden, hatte das aber immer weggelacht. Und im tiefsten Herzen liebe ich es ja doch, wenn uns die Pflanzen zeigen, dass wir uns immer wieder einmal irren. Wir glauben zu oft, dass wir das alles beherrschen.

    Zeitweise hatten wir Dinge im Beet stehen, die sich derart ausgesät haben, dass wir dachten, nur umziehen könnte noch helfen. Da gab es invasive Stauden, zum Beispiel Verbasum, bei denen wir uns selbst fragten, wer das nur in den Garten gebracht hatte. Meist war ich es gewesen, weil ich allen Warnungen oder gut gemeinten Ratschlägen erst einmal keinen Glauben schenken will. Von der Blütenpracht völlig begeistert und überzeugt, bin ich immer sicher, die Ausbreitung unter Kontrolle halten zu können. Ich liebe diese Herausforderungen. Und doch bekenne ich eine gewisse Naivität, derer ich mich nicht schäme und

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