Meine Philosophie lebendiger Gaerten
die Natur lässt sich nicht versachlichen, sie lebt. Ein Garten erlaubt Leichtigkeit.
Und ein Garten braucht diese Leichtigkeit. Selbst der Blick auf das Etikett - mal nicht auf den Preis und auch mal nicht auf den Namen, sondern auf den angegebenen Standort - muss ja nicht verkehrt sein. Dennoch: Wenn zu lesen ist, die Pflanze gedeihe gut in der Sonne, ich aber nur an den meiner Neuanschaffung vorbestimmten schattigen Ort denke, lasse ich sie stehen, obwohl diese Pflanze auch dort wachsen würde, weil der Ort in Wirklichkeit über Schatten mit Licht verfügt. In solch einer Entscheidung ist keine Leichtigkeit enthalten. Denn was könnte schon passieren? Alles geht gut, die Pflanze gedeiht und bringt dem Käufer ein kleines Wunder an diesem angeblichen Schattenplatz. Oder im schlimmsten Fall: Die Pflanze wird sterben in seinem Paradies, aber er hat sich auch ein bisschen an ihr erfreut, er hat experimentiert und gelernt und weiß hinterher mehr über seinen Garten als zuvor. Die Risiken sind also überschaubar. Es geht zwar um Leben und Tod, aber doch nicht ganz so schlimm wie im wirklichen
Leben. Weil im Garten alles ein immerwährender Prozess ist, wird der Engländer für die entstandene Lücke »ganz verschwenderisch« gleich die nächste Pflanze besorgen - und er wird etwas Neues ausprobieren, voller Leichtigkeit und Zuversicht. Garten ist Lebensschule. Denn wie im wirklichen Leben, so lernen wir auch im Garten fast mehr durch die Fehler als durch die Erfolge.
Pflanzen in Gruppen, als Matrix, in Drifts
D ie Sprache offenbart den Unterschied: Der Engländer, der sich mit ganzem Herzen den Ereignissen in seinem Garten widmet, spricht von gardening , die ganze Nation gärtnert . Der Deutsche, der vielleicht weniger mit dem Herzen als mit dem Kopf bei der Sache ist, leistet hingegen Gartenarbeit . In der Küche ist man da schon weiter - denn das lustvolle Ausprobieren eines neuen Rezepts oder die freudige Vorbereitung eines gemütlichen Essens wird schließlich nicht als Küchenarbeit empfunden. Gärtnern macht Spaß und gute Laune und erfreut die Seele, Gartenarbeit ist Pflicht, kostet Kraft, Zeit und Mühe. »Ich schinde mich hier im Garten doch sehr ab«, das würde man vom Kochen bestimmt nicht sagen.
Dennoch sollen die Unterschiede nicht zur unüberbrückbaren Kluft stilisiert werden. Da komme ich aus England zurück und will vieles aus der dortigen Gartenkultur hier in die Seelen, die Köpfe und die Gärten einpflanzen oder auch wachküssen, was hier schon lange schlummert. Und weiß doch zugleich, dass auch die Engländer von uns lernen wollen - und können. Was liegt näher, als Kopf und Herz zusammenzubringen? Doch der Reihe nach.
Geradlinigkeit und viel freier Boden
Des Deutschen gärtnerische Leidenschaft hat in der Vergangenheit schon zu so manchem Leid geführt. Zum Beispiel Elizabeth von Arnim, Schriftstellerin und engagierte Gärtnerin, litt unendlich unter der Nüchternheit und Lustfeindlichkeit der von ihr erlebten preußischen Gartenarbeit und Pflanzpraxis. Das jedenfalls hat sie, die in Sydney geboren und in England aufgewachsen ist, dann knapp zwanzig Jahre mit einem deutschen Grafen verheiratet war und in dieser Zeit in Berlin und Pommern lebte, uns unmissverständlich schriftlich hinterlassen.
In ihrem ersten Roman, Elizabeth und ihr Garten , notierte sie, die die englische Gartenkultur so sehr liebte, auf einzigartige Weise Begegnungen mit ihrem deutschen Gärtner: »Den ganzen April hindurch setzte er die winterharten Pflanzen, die wir im Herbst gesät hatten, an ihren endgültigen Standort, und den ganzen April hindurch ging er mit einer langen Schnur umher und zog mit schöner Genauigkeit parallele Reihen in die Rabatte, worin er dann die armen Pflanzen wie Soldaten bei einer Parade arrangierte.« 1
Bald erklärte Elizabeth dem Gärtner, dass sie im nächsten Beet die Pflanzen gern in Gruppen zusammen hätte und nicht in Reihen und dass ihr dabei eine natürliche Wirkung vorschwebe, ohne Zwischenräume nackter Erde. Ob solchen Ansinnens blickte er ganz besonders düster drein. Als
er wieder ein Beet fertig hatte, entdeckte Elizabeth, »dass er zwei lange Beete beiderseits eines geraden Weges mit kleinen Reihen von jeweils fünf Pflanzen angelegt hatte - zuerst fünf Nelken und hinter den Nelken wieder fünf Nachtviolen und so weiter mit verschiedenen Pflanzen von jeder Sorte und Größe«. Elizabeth protestierte, und der Gärtner rechtfertigte sich, er habe nur ihre Anweisungen
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