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Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Titel: Meine Philosophie lebendiger Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Pape
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Sie ist ein Geschenk. »Theater, Theater, das ist wie ein Rausch. Der Vorhang geht auf, dann wird die Bühne zur Welt.«
    Doch charakterlich, wen mag das verwundern, ist sie nicht ganz einfach: Manchmal sehr empfindlich, ja zickig und schwierig, und meist braucht sie mehr Pflege als alles um sie herum. Man muss sich um sie kümmern, um sie ganz besonders. Da haben die anderen Darsteller im Ensemble zurückzutreten. Aber ihr kommt die Rolle zu, die Massen anzuziehen, das Interesse aller auf sich zu ziehen. Sie hat nur eine kurze Blüte, diese aber ist von ganz besonderer Opulenz. Und dafür nimmt sie, wie es sich für eine Diva geziemt, viel Platz ein.
    Die Pfingstrose zum Beispiel. Sie hat einen großen, geradezu pompösen Auftritt, wuchtig und schwer, aber die Grazie ist unvergleichbar, wie schon Karl Foerster betont hat. Und was er noch feststellte in seiner ihm eigentümlichen Ausdrucksweise:
Die halb geöffneten Blüten »durchlaufen in Durchleuchtungen immer neue unerwartete Phasen der Farben- und Formenentfaltung von feierlicher Zartheit … Das Licht findet in diesen Schönheitslabyrinthen Entfaltungsmöglichkeiten wie kaum in einer anderen Blume.« 4
    Doch nur der Augenblick zählt. Denn leider hält der Zauber gerade einmal zwei Wochen an, vorausgesetzt, dass es nicht regnet oder die Hitze nicht zu groß wird. Die Pfingstrose, die schon im Mittelalter den Weg von den Klostergärten in die Bauerngärten gefunden hatte, stand früh für Reichtum und weibliche Schönheit. Wenn sie sich da im Beet während der Frühsommerbacchanalien feiern lässt und von allen Seiten Bewunderung und Beifall erfährt, dann ist sie der unumschränkte Mittelpunkt, und alles andere gerät zur Nebensache. Rivalisierende Neider haben da keine Chance. Und was hat sie erst für dramatische Sortennamen: Sarah Bernhardt, Duchesse de Nemours, …
    Eine andere Diva: Mohn! Der große orientalische Mohn, mehrjährig, braucht ebenso viel Raum. So viel Aufregung vermag diese Diva zu verbreiten mit ihren kräftigen Stilen und behaarten Blütenknospen: Wie diese Knospen dicker und dicker werden und plötzlich eine kleine rote Zunge herausschaut, dann die Schutzhülle abfällt und die ersten Blütenblätter sich zeigen, gleichsam zusammengefaltete Seidentücher, die schnell gebügelt werden wollen - und schon präsentieren sie sich in schönster Pracht. Ein dramatisches Ereignis. Kaum eine Blüte, die das Bild der Operndiva besser zum Ausdruck bringt.

    Und ihre ganz besondere Empfindlichkeit erst! Platzregen ramponiert unsere Mohn-Diva völlig, wie eine schöne Frisur, die im Regen ohne Schirm schutzlos in sich zusammenfällt. Graues Wetter ist ihr ebenso ein Graus, zu große Hitze lässt sie schwer atmen. Doch wenn Wetter und Temperatur stimmen, kann sie ihre erotische Ausstrahlung in liebesberauschender Vollkommenheit ausspielen. Schon der Dichter Paul Celan hat damit seine Schriftsteller-Geliebte Ingeborg Bachmann reich, ja überreich beschenkt: Ihr Zimmer sah aus wie ein Mohnfeld, wenn er sie besuchte.
    Die Mohn-Diva kommt aus heißen Gegenden, Persien zum Beispiel, wo die Hitze so gnadenlos brennt, dass die Pflanze nach der Blüte zu einer Ruhepause gezwungen ist, Winterschlaf im Sommer, um dann mit dem ersten Herbstregen wieder zur Besinnung zu kommen und neu auszutreiben. So bleibt sie wintergrün, und ihre Blätter stehen den Winter hindurch im Beet.
    Noch eine Glanzvolle: die Steppenkerze mit ihrer gigantischen spinnenförmigen Wurzel, im Frühsommer bis über zwei Meter hoch. Wer drei davon pflanzt, kann sich im Folgejahr an sechs Blüten begeistern, wenn jede Wurzel zwei Kerzen entwickelt, und im dritten Jahr - vielleicht keine oder eine. So können sie sein, so müssen wir mit unseren Diven leben: Ausgeprägt zickig reagieren sie auf kleinste Unregelmäßigkeiten.
    Zwei oder gar mehr Diven zur gleichen Zeit auf die Bühne zu bringen sollte man tunlichst vermeiden. Man kann es, aber nur mit größter Vorsicht. Denn es kann passieren, dass sie
sich nicht guttun, weil sie nicht gemeinsam wirken können - und wollen. Zwei Diven mit zeitgleichem Auftritt können zum Konflikt, ja zum laut ausgetragenen Streit führen, Zickenkrieg. Sie drohen sich die Augen auszukratzen. So hatte schon Foerster von der Streitsucht und der Verwöhnungsbedürftigkeit seiner Zöglinge gesprochen.
    Nur der Einzelauftritt garantiert das Grandiose. Ihre Konkurrenz ist überdies auch für den Gärtner keine Freude. Wenn sie weit auseinander stehen, wenn jede ihren

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