Meine Philosophie lebendiger Gaerten
eigenen Wirkungsbereich, ihre eigene Bühne hat, dann mag das noch halbwegs funktionieren. Je näher sie sich kommen, je intensiver sie gemeinsamer Betrachtung ausgesetzt sind und somit die Bewunderung teilen müssen, umso mehr nehmen sie sich gegenseitig die große Wirkung. Gemeinsam können sie nur verlieren, weil auch der Applaus dann nur noch ein geteilter ist.
Und noch etwas gilt für alle unsere Diven, deren heftigen und lauten Auftritt wir nicht missen möchten: Wenn sie ihr kurzes Saisonengagement beendet haben und von der Bühne abtreten, hinterlassen sie eine große Leere im Beet. Ihr Abschied ist ein bisschen wie Sterben. Das muss überbrückt werden, wollen wir nicht in Trauer, Enttäuschung oder Langeweile zurückbleiben. Wer Diven liebt, muss für ihren Abgang rechtzeitig Vorsorge treffen.
Die weiteren Rollen
Hauptrollen brauchen unsere Inszenierungen für die Aufrechterhaltung des Geschehens. Sie stehen natürlich hinter
den Diven deutlich zurück, stellen dennoch im Beet eine klar strukturierte Erscheinung dar. Katzenminze zum Beispiel. Sie spielt aufgrund ihrer extrem langen Blütezeit von Mai bis September im Ensemble des Gartentheaters mit einer verlässlichen Präsenz, stellt sich Diven selbstlos mit silbergrauem Laub, kleinen, unaufdringlichen zartblauen Blüten und eigener Anspruchslosigkeit als Unterstützer zur Seite, umschmeichelt sie zu ihren Füßen, verhilft zu einer zusätzlichen Projektionsfläche, um den Divenauftritt zum Triumph zu erheben. Sie verleiht ihnen einen besonderen Rahmen, ohne sich selbst in den Vordergrund zu spielen. Das würde der Katzenminze, räumlich zwar im Vordergrund stehend, schon wegen ihrer geringeren Größe nicht gelingen - sie zeigt diskrete Zurückhaltung. Bereits Gertrude Jekyll, die englische Gartenkünstlerin, hatte dies vor über hundert Jahren erkannt und erfolgreich genutzt.
Hauptrollen spielen solche Akteure im Gartentheater, die einen starken Charakter haben, über eine gute und lange Präsenz verfügen, die Performance, also die gesamte Darbietung, über einen größeren Zeitraum tragen und dem Beet eine gute Struktur geben. Auch Staudensalbei mit langer Blütezeit und guter Wachstumsstruktur eignet sich hervorragend. Gräser können ebenfalls sehr wichtige Hauptrollen übernehmen, da auch sie über lange Perioden Zuverlässigkeit zeigen, mindestens bis Weihnachten, oft bis ins Frühjahr hinein. Dazwischen lassen sich Pflanzen einsetzen, die kommen und gehen, keine großen, aber notwendige Auftritte, manchmal nur eine Überbrückung, ein kleiner Übergang von einer tragenden
Szene zur nächsten: Typische Nebenrollen, durchaus auch einmal bemerkenswert und aufsehenerregend, wenn man von den großen Aktionen und Gesten absieht oder gerade keine geboten werden - schließlich gibt es immer auch Preise für die besten Nebenrollen.
Frauenmantel mit seinen schaumigen Blüten und den traumhaft schönen, attraktiven Blättern, leicht behaart und oft von zurückgelassenen Regentropfen geschmückt, nimmt in jedem Fall eine interessante Nebenrolle ein. Würde er nicht über seine wunderbare Blattstruktur verfügen, wäre er eine nicht halb so attraktive Pflanze.
Schließlich Kleindarsteller und Statisten, sie mögen auf den ersten Blick vollkommen unwichtig erscheinen, aber in Wirklichkeit gibt es ohne sie keine Kontinuität. Sie garantieren den Bühnenbetrieb und verleihen dem Beet eine Fülle, eine Schattierung, eine Struktur, die nicht auf den ersten Blick wahrgenommen wird, denn dieser gehört der Diva, auch nicht unbedingt auf den zweiten Blick, denn vor ihnen kommen noch die Haupt- und Nebenrollen - aber sie stehen für eine Gesamtstimmung, einen Gesamteindruck, sie werden lange Zeit nur unbewusst, nebenbei, assoziativ wahrgenommen. Es sind Hintergrundstatisten, die nur ein bisschen herumtanzen und La-la-la singen, die mit dem Hintern wackeln und ansonsten nur sehr wenig tun. Im Drehbuch unserer Inszenierungen werden sie kaum namentlich genannt. Aber sie halten so manches zusammen, nicht das große Ganze, aber die kleinen Szenen. Sie halten sich auch beim Übergang von der einen Diva zur nächsten diskret, aber anwesend im
Hintergrund - im angemessenen zeitlichen und räumlichen Abstand, versteht sich.
Unter den Statisten finden sich etwa Bodendecker, auch kleinere einjährige Pflänzchen, die sich wiederum selbst aussäen und von allein wiederkommen, die mit leichten Farbtönen oder Strukturen überraschen oder einfach nur, ganz unaufgeregt, da
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