Meine Philosophie lebendiger Gaerten
würdevoll seinen Platz einnimmt und die Menschen Demut lehrt und spüren lässt.
Ist es nicht ein schöner Gedanke, dass heute auf einem Grundstück ein Baum gepflanzt wird, unter dem später Generationen sitzen werden, die diesen Menschen, der den Baum gepflanzt hat, zwar nicht kennen und nie kennengelernt haben, ihm aber dankbar sind für sein visionäres Handeln? Der damit ein Zeichen gesetzt hat, dass alles weitergeht. Sie erleben etwas, das der Pflanzer des Baumes nie erlebt hat, aber dieser hat etwas Bleibendes und Verbindendes hinterlassen, das tiefe Wurzeln gebildet hat und am Ende - so bei alten Gutshäusern etwa - sehr bindend wirkt, das den Ort, das alte Gut, das Haus in den Familien ankert, festhält. Es sind geankerte, geerdete Orte, sehr stark, kraftvoll und mächtig, very powerful . Eine alte Eichenallee, die dorthin führt, kann diesen Eindruck und dieses Vermächtnis noch verstärken.
Es ist das Alter, das mich an einem Baum fasziniert und zugleich sein Gleichmut gegenüber all dem, was ihn umgibt, die Natur im Kleinen, der Jahreszeitenwechsel, aber auch gegenüber den Menschen, was sie treiben, wie sie leben und
sogar was sie mit ihm tun. Je älter die Bäume werden, umso robuster werden sie gegenüber allen äußeren Einflüssen des Menschen und der übrigen Natur.
Allein die Vorstellung, was alte Bäume für Geschichten erzählen könnten! In unserer Königlichen Gartenakademie steht eine über hundert Jahre alte immergrüne Weymouths-Kiefer, viele bezeichnen sie sehr romantisch als Mädchenhaarkiefer, was zwar falsch ist, aber sehr schön klingt. Sie stammt aus der Zeit, als die auf Lenné zurückgehende Königliche Gärtnerlehranstalt aus Potsdam hier ihr Domizil bezogen hat - unvorstellbar, was dieser Baum schon alles erlebt, »gesehen« und ertragen hat, von den großen Gärtnern über den Bombenhagel des Krieges bis zu unseren Designerentwürfen und dem Pflanzenangebot aus nahen und fernen Ländern.
So sollte jeder, der ein Grundstück mit historischem oder einfach nur altehrwürdigem Baumbestand erwirbt, damit leben. Denn man kauft sich kein Haus mit zwei, drei riesigen Buchen und haut diese dann um, weil sie einen stören. Große Bäume werfen tatsächlich viel Schatten, aber das weiß man auch vorher und sollte sich darüber im Klaren sein, selbst wenn man im Winter das Grundstück erstmals besichtigt und die Bäume gerade kein Laub tragen. Wer keine großen Bäume mag, sollte sich nach einem anderen Grundstück umsehen und nicht zur Kettensäge greifen.
Dennoch gibt es auch Bäume, um die zu kämpfen sich nicht lohnt. Ich bin keine Puristin und stelle keine Dogmen auf. Auch ich habe schon Bäume fällen lassen, habe kurzlebige, verkrüppelte, schiefe, dunkle oder kranke Fichten
oder Kiefern niederschlagen lassen und habe Pioniergehölze entfernt, also Bäume, die sich überall allein aussäen und kaum bis gar keinen Nährboden brauchen wie Birken, Bergahorn oder Erlen, Bäume, die dank ihrer Flachwurzeln überall überleben. Pioniergehölze sind recht kurzlebig und sehr invasiv, sie breiten sich also rasant aus. Wenn man ein paar Jahre wegsieht, wächst nichts anderes mehr als diese Bäume. Ich entfernte sie immer mit der Voraussicht, sie durch schönere, lachende und vor allem langlebige Bäume zu ersetzen.
Berlin etwa hat eine Menge Bäume, von denen aber viele die falschen Sorten am falschen Ort sind. Die Stadt bräuchte noch viel mehr - und zwar langlebige Bäume. Ich plädiere dabei für eine Vielfalt und für überlegtes und gezieltes Pflanzen der »richtigen« Bäume am richtigen Ort. Es ist schade, wenn viel Energie in Bäume im Stadtraum gesteckt wird, die keine dreißig oder vierzig Jahre alt werden. Das ist nicht nur zu kurzlebig, das ist auch zu kurz gedacht.
Sich schnell ausbreitendes Pioniergehölz verhindert und unterdrückt die Vielfalt, sehr zu beklagen im Tiergarten in Berlin oder im Englischen Garten in München. Die großen schönen Bäume, die wirklich alt werden, sind durch den grassierenden Pionierwuchs verdrängt worden, ein einst geplanter Garten droht zu verwahrlosen, auch wenn er auf den ersten Blick schön grün aussieht - aber langfristig wuchert er zu und wird langweilig.
Baumkronen und der Habitus von bestimmten Bäumen haben Aufgaben, sie tragen Sinnbilder, derer wir uns zwar nicht
immer bewusst sind, die wir aber spüren und fühlen. Am Ende des Kurfürstendamms in Berlin ist die Weitsichtigkeit eines Pflanzers zu bewundern: Dort habe ich
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