Meine Philosophie lebendiger Gaerten
Welt mitbrachten. Das war schon bei Marco Polo vor gut siebenhundert Jahren so. Er soll unter anderem Reis und andere Pflanzen nach Europa gebracht haben. Mais, den die Maya bereits fünftausend Jahre vor unserer Zeitrechnung in Mittelamerika angebaut hatten, und Kartoffeln gelangten mit der Entdeckung der Neuen Welt durch Kolumbus Ende des fünfzehnten Jahrhunderts zu uns.
Ganz gezielt machten sich die ausgesprochenen Pflanzenjäger ans Werk, zu deren ersten Vertretern die Besatzung der legendären »Bounty« unter William Bligh gehörte, die durch ihre Meuterei bekannter wurde als durch ihre Fracht. Die Mannschaft hatte den Auftrag, Setzlinge des Brotfruchtbaums aus Tahiti in die Karibik zu bringen, um die Hungersnöte im Umkreis der britischen Zuckerrohrplantagen einzudämmen,
nachdem die Getreidelieferungen aus den nordamerikanischen Kolonien Englands durch den amerikanischen Bürgerkrieg ausgefallen waren. Von der vitaminreichen Brotfrucht, ähnlich der Süßkartoffel, wusste man in England durch James Cooks erste Weltumsegelung. Die Beschaffung der Pflanzen durch die »Bounty« war vom König gesponsert, erstmals ging es weder um eine Militäraktion noch um Forschung. Aber das Unternehmen scheiterte auf grausame Weise, weil die Fracht so viel Frischwasser benötigte, dass die Besatzung fast krepiert wäre - und da stand sich die Mannschaft dann doch selbst näher als den Pflanzen. Die Geschichte, mehrfach durch Hollywood nacherzählt, endete also damit, dass über tausend Jungpflanzen über Bord geschmissen wurden, der Kapitän mit einigen Leuten ausgesetzt wurde und dennoch überlebte, die Meuterer teilweise am Galgen endeten, nachdem sie zuvor noch zahlreiche Nachkommen in der Südsee gezeugt hatten.
Dann gab es um 1830 einen englischen Arzt, Nathaniel Bagshaw Ward, der kleine tragbare Gewächshäuser entwickelte, später »Wardian cases« genannt, mit denen er zeigte, dass er das Wachstum der Pflanzen beeinflussen konnte. Diese Behälter kamen dann bald für den Transport australischer und neuseeländischer Pflanzen nach England zum Einsatz, und während bei früheren Versuchen nur wenige Prozent der verschifften Pflanzen überlebten, überstanden nun fast alle die Reise. Der Pflanzenreichtum in England explodierte geradezu, und auch ökonomisch wurde in der Folgezeit von ungeheuren Erfolgen berichtet. So lieferte beispielsweise ein
britischer Plantagenzüchter zwanzigtausend Teepflanzen in Wardian cases von Shanghai nach Indien und gründete die Assam-Plantagen. Nach Ceylon wurden in den kleinen Gewächshäusern brasilianische Kautschukbäume geliefert, die dort bis dahin nicht bekannt waren und große Erträge lieferten. Der britische Adel erfreute sich plötzlich an einer Fülle von Orchideen und exotischen Farnen in häuslicher Umgebung.
Mit meinen Anregungen, neuartiges Leben in den Garten zu bringen, sage ich nicht, dass eine Pflanzensorte nicht mehr gut ist, wenn sie alt ist. Die weiße Herbstanemone »Honorine Jobert« stammt aus dem Jahr 1858 und ist nach wie vor die schönste aller Herbstanemonen. Andererseits versuchen Züchter ihr Sortiment ständig zu verbessern. Selbst Karl Foerster hat regelmäßig seine früheren Züchtungen aus seinem Sortiment entfernt, wenn eine neue besser war. Bei Gattungen wie Iris (Schwertlilie) und Hemerocallis (Taglilie) hat sich in den vergangenen Jahren viel Neues und Interessantes ergeben. Man ist fast geneigt zu sagen: Zu viel hat sich ergeben, denn man kann sich nur noch schwer entscheiden! Für diese Neuigkeiten und Neuerungen sowie die neu entdeckten Wildsorten, die berufliche Pflanzensammler uns aus aller Welt weiterhin mitbringen, sollte man immer offen sein. Wir sind es. Es ist herrlich, sein Herz von unbekannten Schönheiten erobern zu lassen und mit ein wenig Mut einfach einmal auszuprobieren, ob und wie es im eigenen Garten passt und gedeiht. Manchmal klappt es, manchmal nicht, dann ist wieder Platz geschaffen für etwas Neues.
Bäume ankern
S eit meiner frühesten Kindheit habe ich einen ganz besonderen Bezug zu Bäumen, die mich seitdem durchs Leben begleiten. Im Jahr meiner Geburt pflanzte mein Vater einen ganzen Wald von etwa fünftausend Quadratmetern Größe. Zuvor waren alle großen Fichten gefällt worden, alle Wurzeln mussten ausgegraben werden, bevor mit Fichten und Eichen neu aufgeforstet werden konnte - und jetzt, über vier Jahrzehnte später, sind die Fichten wieder in einem Zustand, in dem sie gefällt werden sollten. Es ist ein
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