Meine Philosophie lebendiger Gaerten
Nachsicht gezeigt. Am nächsten Tag stehen die Gören wieder vor der Tür, klingeln und fragen, ob die Gärtnerin ins Tor kommt - sie wird gebraucht. Und wenn sie fehlt, muss eben ein Ersatztorhüter gesucht werden. Allein sein kann sie nie, es sind immer Freunde um sie herum. Nur nicht im Garten -
aber dort fühlt sie sich nie allein. Wenn sie im Garten ist, in ihrem Revier, dann ist sie zufrieden.
Von Geheimnissen und Kräften im ersten Garten
Im Garten gibt es kein Alleinsein. Elizabeth von Arnim, für die ihr Garten, »mein Schutz, meine Zufluchtsstätte, zu der es mich hinzieht«, bedeutete, schrieb: »Mein Garten ist voller Freunde, nur sind sie - stumm.« 1 Ich fühle mich eher umgeben von Kräften, die stärker sind als wir, die keineswegs immer das tun, was wir wollen. Ganz im Gegenteil: Die Pflanzen machen, was ihnen beliebt. Das Agieren mit und gegen die Natur ist eine immerwährende Herausforderung, stets in Zwiesprache, ein permanentes Kräftemessen, bei dem wir oft die Unterlegenen sind. Bestenfalls kooperieren wir erfolgreich. Sieger sind wir eigentlich nie.
Schon als Kind war es für mich spannend wie ein Krimi: Wie viele Äpfel könnten aus einem Apfelkern kommen, wenn man den Kern einpflanzt und das neue Bäumchen pflegt, bis es Äpfel trägt? Wie viele Äpfel könnte ein ganzer Apfel mit all seinen eingepflanzten Kernen produzieren, wenn daraus Apfelbäume wüchsen? Und wie viele Bäume und wie viele Äpfel könnten wir zählen, gingen nur die Kerne aller Äpfel von einem einzigen Apfelbaum einer Ernte auf …? Am Ende solcher Gedankenexperimente stünde ein gigantisches Unterfangen, für das Kind fern von jeder Vorstellung.
In seiner einfachsten Form kennen wir das nicht erst seit dem Birnbaum des Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
der, bevor er starb, eine Birne in sein Grab erbat, um so den Kindern, die er immer in der goldenen Herbstzeit mit seinen Birnen erfreute, etwas zu hinterlassen - den Birnen tragenden Baum. Wir sollten den Kindern Theodor Fontanes Gedicht wieder einmal vorlesen. Und sie Apfelkerne oder Birnenkerne in die Erde stecken lassen. In einem meiner kürzlich angelegten Gärten in München habe ich zwei Apfelbäume, die die Kinder der Familie im Blumentopf gezogen hatten, in den Garten integriert. So hatte sich auch für mich ein kleiner Kreis geschlossen.
Es sind so viele Geheimnisse, die schon die Kinder dem Garten der Natur entlocken können: Ich erinnere mich, wie ich im Garten meiner Kindheit beim Sieben des Komposts plötzlich aufgebrochene Pfirsichkerne mit ihren herauswachsenden Keimen fand. Ebenso die aufgeplatzten Walnüsse, die Bäume werden wollten. Bald folgte die Erkenntnis, dass es Samen gibt, die viel Kälte brauchen, damit sie sich entschließen können, wann sie aufbrechen wollen. Steppenstaudensamen, vor allem südamerikanische, gehen erst auf, wenn sie verbrannt sind, wenn Flammen über sie gegangen sind, was ich als Kind noch nicht wissen konnte, was mich aber heute nicht weniger fasziniert. Iris und Lilien, Pflanzen, die aus der Türkei kommen, brauchen wiederum sehr viel Hitze, damit die Keimung verursacht werden kann, dazu im Gegensatz Samen aus kalten Ländern, die erst mal zwei oder drei Monate in der Kühltruhe liegen müssen, weil sonst die Keimung verhindert wird.
Bis heute kann ich mich in jedem Detail an den Pflanzplan des elterlichen Gartens erinnern, jede Pflanze, jeder Weg ist
vor dem inneren Auge. Ich sehe mich durch den von ihnen angelegten Garten gehen und stumm meine Urteile fällen: Hier ein guter Bodendecker, aber ob ich das so gepflanzt hätte, eher nicht, aber ich bin ja nur zur Pflege da. Anderes wurde für schön befunden, ja bezaubernd, wie etwa jener stets blühende Knöterich, weiß, rosa, rot. Eine Aralie, im Winter mit nur drei Stämmen, mit dicken langen Stacheln, eigentlich eklig, im Sommer oben ein paar Palmwedel, das war richtig hip damals.
Später wurde ich von der Pflegerin der Beete zur Mitgestalterin. Als ich dann nach Jahren von der Umgestaltung des Gartens meiner Kindheit hörte und diese auch wahrnehmen musste, hat es mich doch sehr berührt. Zwar konnte ich den Mut der Eltern bewundern, weil sie die Veränderungen in die Hand eines wirklichen Gartenkünstlers gelegt hatten, der zudem ein recht modernes Beet schuf - aber es war doch mein Kindheitsgarten, und es tat schon sehr weh, ihn plötzlich umgegraben, umgestaltet, seines Charakters und damit aller Erinnerungen beraubt, letztlich ausgelöscht zu
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