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Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Titel: Meine Philosophie lebendiger Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Pape
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Händen.

Horticulture in Kew

    A ls ich zum Studium nach England ging, wusste ich eigentlich nicht viel mehr von dem Land als das, was mir meine italienische Großmutter erzählt hatte: Dort leben nur Banausen. Liebe Omi, welch ein Irrtum!
    In England fand ich einen Studienplatz am Botanischen Garten in Kew. Hätte ich davor auch nur eine Ahnung davon gehabt, dass ich hier am bedeutendsten Institut landen könnte, das es weltweit für meine Interessen gibt, ich wäre wohl nicht ganz so locker, naiv, sorglos und fast frech an die Sache herangegangen. Es waren Freunde, die mich zur Bewerbung angeregt hatten, und durch einen Computerfehler kam ich nach England. Dort wurde ich aus etwa vierhundert Bewerbern nach Kew zum Aufnahmegespräch ausgewählt. Sechzehn sollten am Ende eines der begehrten Stipendien bekommen, darunter nur ein Ausländer. Ich sprach kaum Englisch, hatte aber einen Vortrag vor einer Auswahlkommission zu halten. Den schrieb ich zusammen mit einer Freundin, die ihn auch übersetzte, dann lernte ich das Ganze auswendig. So konnte die erste Hürde genommen werden.
    Danach gab es eine Fragerunde mit Experten. Mir war von vornherein klar, dass ich die englischen Fragen kaum oder gar nicht verstehen würde. Also hatte ich drei oder vier ausweichende Gegenfragen vorbereitet. Meine Antwort auf die letzte unverstandene Frage lautete dann: »I think we don’t have those in Germany!« (Ich glaube, das haben wir in Deutschland nicht.) Dass ich diesen Joker ausgerechnet auf die Frage »What do you know about trace elements?« (Was wissen Sie über Spurenelemente?) anbrachte, also in Bezug
auf Mineralstoffe, die in Pflanzen in sehr geringen Mengen vorkommen, sogar in Deutschland, brachte mir ein schallendes Gelächter der beisitzenden Weltexperten und Professoren ein, und damit die Gewissheit, mit meiner Antwort doch ein bisschen daneben gelegen zu haben.
    Die Runde hatte schnell entschieden: Den einzigen Studienplatz, der hier in diesem Jahr an einen Studenten aus dem Ausland zu vergeben war, sollte ich bekommen - und in den Monaten darauf, als ich die ersten unsicheren Schritte durch Kew Gardens machte, grüßten mich einige Beisitzer aus der Aufnahmeprüfung und auch der Direktor von Kew ganz besonders freundlich, lachten mich an und fragten nach, ob es in Deutschland inzwischen Spurenelemente gebe. Die Geschichte verfolgte mich noch lange, aber sie war zugleich untrennbar mit meinem unverhofften Eintrittsbillet für Kew verbunden. Erklären kann man das nicht. Aber es zeigt, dass zum Leben immer auch ein Quäntchen Glück gehört. Nun folgten die Qualen: Nachts lag ich im Bett, damals noch mit dem Walkman, und lernte Vokabeln, wochenlang, monatelang, und war so verzweifelt, dass ich irgendwann dachte, eher sprechen morgen alle Engländer deutsch, als dass ich das mit dem Englischen jemals schaffe. Meine englischen Studienkollegen kamen aus den Vorlesungen und sagten, sie hätten kein Wort verstanden. Was sollte ich, die anfangs wirklich kein Wort verstehen konnte, da antworten! Während sie das Fachliche nicht begriffen hatten, um das ich mir noch gar keine Sorgen zu machen brauchte, hatte ich nicht einmal die Wörter verstanden. Aber dennoch blieb ich dran und quälte
mich durch, ich habe gemacht und getan, was ich nur konnte. Später nach dem Studium in Kew hing ich noch ein zweites dran, Landschaftsarchitektur, neben der Vollzeitberufstätigkeit - ich hatte mir wirklich nicht den leichtesten Weg ausgewählt, bin im Jahr vierzigtausend Meilen mit dem Auto nach Greenwich und nach Birmingham an die Unis gefahren und habe an den Wochenenden alle Gärten Englands abgeklappert, um sie zu sehen und in mir aufzunehmen. Ich habe ihre Aura aufgesogen - aus erster Wissensbegierde wurde eine Besessenheit, eine Neugier und eine leidenschaftliche Suche nach immer mehr Wissen. Aber nach welchem Wissen? »Horticulture« heißt das Studium in Kew Gardens, wo über allem und vor allem die Pflanze und ihre Kultivierung steht, der Anfang und das Ende jeder Gartenkultur. Aber es sollte noch eine ganze Weile dauern, bis ich das verstanden hatte. Zunächst ging es monatelang um Bodenkunde, Chemie und Physik und die Frage, warum bestimmte Pflanzen bestimmte Böden brauchen. So wie man ein spezielles Benehmen kultiviert, so kultiviert man das Verhalten der Pflanze. Aber es gibt Grenzen, und an denen kann das Domestizieren zur Vergewaltigung verkommen: Kakteen können nicht an einen feuchten Torfboden gewöhnt werden, sie werden

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