Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
längst in Rauch aufgelöst hat.
»So ’ne Verschwendung«, sagt der Tierfreund, »woanders machen sie da wenigstens noch Industriefett draus.«
Ja, denke ich, der alte Wassja als Kolbenschmierer. Was Darya wohl dazu sagen würde? Ich will es mir gar nicht vorstellen.
»Kann ich bitte seine Asche mitnehmen?«, frage ich.
»Was wollen Sie?«
»Die Asche. Von unserem Hund. Haben Sie die noch?«
»Quatsch. Was glauben Sie denn? Das kommt alles auf’n großen Haufen, und dann wech damit.«
»Ach so. Na dann, tschüss.«
Mit der Geschichte brauche ich nicht nach Hause zu kommen, so viel ist mir klar. Ich beschließe, Deduschka und Frau Hinrichs zu besuchen, aber in der Datscha ist niemand. Glück muss der Mensch haben, denke ich, schleiche über den Rasen und wühle mich durch den Kompost.
»Was machen Sie denn da?« Vom Nachbargrundstück schiebt sich der Kopf einer älteren Frau durch die Hecke.
»Ja, äh, ich brauche etwas Dünger, für meine Balkonkästen.«
»Soso. Wer sind Sie überhaupt?«
»Paula. Ich bin quasi die Enkelin von Herrn Polyakow und Frau Hinrichs.«
»Soso. Ich hab Sie hier aber noch nie gesehen.«
»Wollen wir meine Großeltern kurz anrufen?«, frage ich und halte mein Handy in die Luft.
»Nee, nee, schon gut.« Der Kopf verschwindet.
»Schön, dass Sie so gut aufpassen. Das ist sicher beruhigend für meine Großeltern«, rufe ich in die Blätter hinein und denke, dass deutsche Laubenpieper ein komisches Volk sind. Dann finde ich, was ich suche – die Reste unseres Großfeuers. Ich stopfe etwas davon in einen Plastikbeutel und verschwinde.
Darya wartet schon auf mich. Auf der Fahrt zu ihr habe ich verschiedene Beileidsbekundungen im Kopf durchgespielt, ich entscheide mich aber für die Variante »kurz und schmerzvoll«.
»Dascha, du musst jetzt stark sein«, sage ich, »Wassja wurde verbrannt.«
»Hmm?«
»Verbrannt. Eingeäschert. Feuer. Flammen. Puff. Verstehst du?«
Sie versteht und schlägt die Hände vors Gesicht. Bevor sie weinen kann, rufe ich: »Guck mal!«, und schwenke triumphierend meine Tüte. »Wassja«, sage ich und überreiche ihr feierlich die Asche. »Jetzt brauchen wir nur noch eine schicke Urne, und dann stellst du ihn dir ins Regal.«
Endlich habe ich meinen Arzttermin. Nachdem ich mich im Wartezimmer zwei Stunden von allen Seiten habe anhusten lassen, bin ich dran. Frau Dr. Meyerhoff ist die alte Hausärztin unserer Familie. Viel hat sie in den langen Jahren nicht an uns verdient, ein echter Matthes wird nicht krank.
»Paula, wir haben uns ja lange nicht gesehen. Schön, dass du mal vorbeikommst. Du hast geheiratet, habe ich gehört …«
Mutter, die alte Plaudertasche, denke ich, und dann muss ich ihr alles erzählen. Wo Artjom herkommt, was er beruflich macht, wie alt er ist und wie wir uns kennengelernt haben.
»Dann hat sich alles zum Guten gewendet. Ich weiß noch, wie unglücklich deine Mutter nach deiner Trennung gewesen ist. Das ist eben schwierig, in deinem Alter. Da muss man auch froh sein …«
Offensichtlich galt ich als schwer vermittelbar. Ich lächle etwas gequält.
»Also, warum ich eigentlich gekommen bin …«
»Fehlt dir etwas?«
»Ich habe mir im Urlaub den Magen verdorben. Und seitdem ist mir immer mal wieder ein bisschen übel. Manchmal muss ich sogar spucken.«
»Hast du Fieber?«
»Nein.«
»Bauchweh? Magenkrämpfe?«
»Nein.«
»Durchfall?«
»Nein. Sonst ist alles in Ordnung.«
»Na, dann zieh mal den Pulli aus, und leg dich hin.«
Sie misst meinen Blutdruck, guckt mir in den Hals, die Ohren, die Augen und tastet mich ab.
»Tut das weh?«
»Nein.«
»Das?«
»Nein.«
»Und das?«
»Neihein.«
»Hmm. Ich kann nichts feststellen. Sag mal, Paula, wann hast du denn das letzte Mal deine Regel gehabt?«
»Weiß ich gar nicht. Ich hab immer so viel Stress, die kommt nie pünktlich.«
»Hmm, hmm. Kann es sein, dass du schwanger bist?«
»Nein! Ich hab doch eine Spirale.«
»Hmm, hmm, hmm. Ich schreib dir trotzdem eine Überweisung für die Frauenärztin, und dann lässt du das mal kontrollieren.«
»Frau Dr. Meyerhoff, ich bin nicht schwanger, bestimmt nicht.«
»Wenn du meinst. Aber hingehen schadet nicht.«
»Wenn Sie meinen.«
Etwas kopflos verlasse ich die Praxis. So ein Unsinn, denke ich, schwanger! Ich! So ein Unsinn. Frau Dr. Meyerhoff wird langsam alt. Trotzdem steuere ich die nächste Apotheke an. »Einen Schwangerschaftstest, bitte.«
Ich stopfe die verräterische Packung ganz nach
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