Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe
darin, wie du bist, nicht wie ich bin.«
»Du redest nur Scheiß.« Aber ihre Stimme war unsicher. »Du baust dir Luftschlösser, damit die Welt so aussieht, wie du sie gerne hättest.«
Sie folgte mir ins Badezimmer, wo ich meine nassen Sachen einsammelte. Ohne zu überlegen, was ich tat, zog ich die Shorts und den Pulli aus. Einen Augenblick lang stand ich in Unterhosen da, dann griff ich nach meinen Jeans.
»In Wirklichkeit wollt ihr alle nicht erwachsen werden!«, schrie sie.
»Mit wem redest du?« Ich schubste sie. »Nur ich bin hier, mit wem zum Teufel redest du?« Ich war wütend. »Ich will nicht erwachsen werden, sagst du? Und du, bist du erwachsen? Weil du allein wohnst, weil du arbeitest? Weil du schon wählen gegangen bist?«
Jetzt gab sie mir einen Stoß. »Ja, auch darum! VOR ALLEM DARUM!«, schrie sie. »ICH KÄMPFE SCHON SEIT LANGEM MIT ALLER KRAFT, UM MIR EIN LEBEN AUFZUBAUEN!«
»OKAY«, brüllte ich noch lauter, »DANN GIB AUCH MIR DIE CHANCE, DAMIT ANZUFANGEN, ODER?« Mein angespanntes Gesicht war einen Zentimeter von ihrem entfernt.
Sie stieß mich so heftig weg, dass ich ausrutschte und mit dem Arsch voran in die kleine Badewanne fiel. Ich hatte mich gerade noch rechtzeitig zur linken Seite neigen können, um nicht mit dem Kopf gegen die Wand zu prallen. Als ich versuchte, meine Schulter zu bewegen, tat sie höllisch weh.
»Scheiße!«
Sie beugte sich über mich. »Entschuldige, das wollte ich wirklich nicht … hast du dir wehgetan?«, fragte sie erschrocken. Ich versuchte, aufzustehen, aber meine Schulter schmerzte zu sehr.
»Mann, tu das weh!«
»Oh Gott!«
Meine Beine baumelten zur Hälfte über dem Rand der Wanne. Die nackten Füße zwischen uns.
Sie richtete sich auf, als wollte sie die Situation überschauen. Nachdenklich betrachtete sie mich, wie ich eingeklemmt in der Wanne saß, und schien etwas sagen zu wollen.
Doch dann fing sie an zu lachen.
»Was ist los mit dir?«
Sie hörte nicht auf.
Ich blickte an mir herunter. Ich hatte nur eine Unterhose an, meine Schulter war verrenkt, ich saß in einer Badewanne, die Beine in der Luft, und das alles um vier Uhr morgens.
Plötzlich fing auch ich an zu lachen.
So ging das eine ganze Weile, unser Gelächter hallte zwischen den Badezimmerfliesen. Es war alles so jämmerlich und so einfach! Und sie war so schön.
Sie half mir aus der Wanne. Je mehr mir die Schulter wehtat, desto mehr fluchte ich und lachten wir. Wir hörten nicht auf, bis die Nachbarn gegen die Wände hauten.
Noch immer leise kichernd, untersuchte sie meine Schulter. Ich versuchte, den Arm zu drehen. Es tat weh, aber ich schien mir nichts gebrochen zu haben. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte ich, meinen Oberkörper hin- und herzudrehen, und plötzlich standen wir so dicht voreinander, dass unsere Nasen sich fast berührten.
Wir sahen uns einen Augenblick lang an. Dann küsste ich sie. Einmal, zweimal. Sie umarmte mich. Dreimal. Ich drückte sie an mich. Viermal. Ich strich mit der Hand über ihren Rücken. Fünfmal. Dann hörte ich auf zu zählen.
Wir wichen zurück, bis zum Eingang, bis zum Schlafzimmer.
Sie löschte das Licht mit dem Ellenbogen.
Ich hatte Angst vor ihr, aber ich wünschte mir nichts anderes als sie.
»Ich habe noch nicht …«, versuchte ich zu sagen.
»Ich weiß.«
Wir ließen uns aufs Bett fallen.
Die Laken waren kühl.
Wir nicht.
Gerne hätte ich erzählt, dass der Gesang der Vögel mich weckte, aber so war es nicht. Seit das passiert war, was passiert war, hatte ich kein Auge zugemacht. Wir lagen nebeneinander, und sie war eingeschlafen. Ich spürte, dass ein unbekanntes Gefühl meinen Körper in Brand setzte.
Ich hatte mit Chiara geschlafen. Wir hatten miteinander geschlafen. Nur einmal, okay, und es hatte nicht besonders lang gedauert, zugegeben. Aber es war passiert, hier, im heißen Herz der Finsternis. Mit der Frau, die ich vom ersten Augenblick an geliebt hatte.
Ich war wach geblieben, um ihr Profil zu betrachten, das im dunklen Zimmer kaum zu erkennen war. Und um all meinen Sinnen jene Minuten, alle geflüsterten Worte und Seufzer einzuprägen, die von unseren Lippen gekommen waren.
Um sechs machte ich ein bisschen Lärm, damit sie aufwachte. Das Licht fiel durch die heruntergelassenen Rollläden. Anscheinend hatte es aufgehört zu regnen.
Als Chiara die Augen aufschlug, blickte sie in meine. Eine Sekunde lang schien sie nicht zu begreifen, was passiert war. Dann fiel es ihr wieder ein: »Oh Gott«, rief sie
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