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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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nach Paco Rabane. Ein gebügeltes fliederfarbenes Taschentuch ragte ungeheuer schneidig aus seiner Brusttasche. Es fehlte nur noch die weiße Nelke. Ehrlich gesagt sieht der Gerichtshof tatsächlich ein wenig nach einer Kirche aus - bei so vielen Bögen und Buntglasfenstern kann man sich leicht vertun. Ich versuchte ihn vor Barnabys Kreuzverhör zu warnen.
    »Er wird Ihnen ausschließlich Fragen stellen, deren Antwort er bereits kennt«, sagte ich. »Und er wird ausgesprochen höflich tun; dabei ist er ein Bluthund. Er wird Sie nach den Überweisungen fragen, die Sie von dem Konto vorgenommen haben, auf dem - Hubert! Hören Sie mir zu? Haben Sie verstanden?«
    »Ja, klar. Egal. Immer raus damit.«
    Hubert hatte mindestens einen Kirsten-Dunst-Teeniefilm zu viel gesehen.
    Alissa hingegen war schlicht gekleidet wie eine Nonne. Sie trug eine einfache weiße Bluse, einen schwarzen Rock und flache schwarze Schuhe. Sie hielt ihr Haar mit einem schwarzsamtenen Reif zurück und trug keinerlei Schmuck. Es überraschte mich, dass Barnaby ihr nicht geraten hatte, in Sack und Asche aufzutreten. O Jesus, die Verhandlung würde meine schlimmsten Befürchtungen übertreffen. Wenn sie nur nicht ganz so süß und rein ausgesehen hätte. Mir rollten sich die Zehennägel hoch, wenn ich mir vorstellte, wie gemein und rücksichtslos ich wirken würde, sobald ich ihr eine Frage stellte, die bohrender war als: »Mrs Fitzgerald, ist es richtig zu sagen, dass Sie tatsächlich eine Heilige sind?«
    Barnaby bemerkte, wie ich seine Mandantin musterte. Er warf einen kurzen Blick auf Hubert und schmunzelte. Dieser
Scheißkerl . Ich senkte den Blick, hustete kurz und sortierte meine Unterlagen.
    »Viel Glück«, murmelte ich, als Hubert in den Zeugenstand gerufen wurde. Die Richterin nieste dreimal, während er an ihr vorbeiging, wahrscheinlich reizte sein Parfüm ihre Nase. Ich versuchte nicht unter den Tisch zu rutschen, als Barnaby sein Opfer lächelnd mit seinem Blick festnagelte. Seine Stimme war weich und verführerisch, und Hubert ging ihm in jede, aber auch jede Falle wie eine ganz besonders blöde Ratte. Nach wenigen Minuten rann ihm der Schweiß von der Stirn in die Schweinchenaugen, und sein Gesicht glühte vor ohnmächtigem Zorn. Er begann zu stottern und sich zu widersprechen und wischte sich immer öfter die Stirn mit dem fliederfarbenen Taschentuch, bis es aussah wie ein alter Putzlumpen. Genau wie Hubert selbst.
    Mit stolzgeschwellter Brust war er in den Zeugenstand marschiert. Wie ein geprügelter Hund kehrte er auf seinen Platz zurück. Er sah mich wütend an und zischte: »Sie hätten etwa fünfzigmal ›Einspruch‹ rufen können - warum haben Sie nichts unternommen ? Was ist los mit Ihnen? Hat es Ihnen plötzlich die Sprache verschlagen?«
    »Hubert! In diesem Land sagen wir nicht ›Einspruch‹. Das machen sie in den USA«, murmelte ich. »Außerdem gab es nichts, wogegen ich Einspruch erheben konnte. Jedenfalls keinen begründeten. Alle seine Fragen waren wasserdicht. Natürlich hätte ich mich auf ihn gestürzt … ähm, bei der ersten Gelegenheit, aber da war keine. Keine einzige. Hubert, ich habe Sie ausdrücklich gewarnt.«
    Hubert sagte nichts. Er sah mich zutiefst angewidert an und starrte dann geradeaus wie ein Zombie. Ich merkte, wie ich vor Scham rot anlief. Schon jetzt sah ich aus wie ein rechter Klotz.

    Alissa ging langsam und lautlos zum Zeugenstand, die Füße leicht nach innen gekehrt und mit gesenktem Kopf wie eine Geisha. Ich fragte mich, ob sie Mitglied im Schauspielerverband war.
    Ich begann mit ein paar harmlosen Fragen, damit sie sich entspannte. Dann zog ich ein paar Papiere aus meiner Mappe, als würde ich ein Schwert aus der Scheide ziehen. Eine Fotokopie reichte ich der Richterin, eine Fotokopie reichte ich Barnaby, und zuletzt reichte ich, mit zuckersüßem Lächeln, Alissa eine Fotokopie.
    So zickig wie möglich fragte ich: »Mrs Fitzgerald, würden Sie bitte einen Blick auf diesen Brief werfen?«
    Alissa überflog den Brief und nagte an ihrer Unterlippe.
    »Mrs Fitzgerald, ist es richtig, dass dieser Brief an Ihre Mutter adressiert ist?«
    »Ja«, flüsterte sie.
    »Würden Sie es auch so einschätzen, dass er geschrieben wurde, um sicherzugehen, dass wir vollen und freien Zugriff auf alle Vermögenswerte haben?«
    »Ja«, bestätigte Alissa mit Babybärenstimme.
    »Mrs Fitzgerald, könnten Sie Absatz drei vorlesen?«
    Alissa schluckte. »Um vollen und freien Zugriff auf alle Vermögenswerte zu

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