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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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um unsere Zusammenkünfte unterhaltsamer zu gestalten. Leider Gottes wollte mir beim besten Willen keine Cousine einfallen, die man gerechterweise als »fröhlich« bezeichnen konnte - und obendrein lebten alle in langweiligen Orten wie Dollis Hills, wo sie meinetwegen versauern konnten.

    Cassie und ich trafen immer um Punkt acht ein, und Cassie fragte jedes Mal: »Mummy, sind die Fischbouletten frisch?«
    Worauf Vivica jedes Mal erwiderte: »Aber ja! Natürlich sind sie frisch, mach dich nicht lächerlich!«
    Und unser Vater einwarf: »Sind das die Fischbouletten, die seit Dienstag in unserem Kühlschrank liegen, Vivica?«
    Und Vivica antwortete: »Also, wer liegt mir denn ständig in den Ohren, dass ich kein Essen wegwerfen soll?«
    Daraufhin musste unser Vater zwölf muffige Fischbouletten verzehren, um beiden Parteien die Möglichkeit zu geben, ihr Gesicht zu wahren (und um das Wohlergehen seines ungeborenen Enkelkindes zu sichern, nehme ich an). Am nächsten Tag rief ich für gewöhnlich an - ganz die brave Tochter - und dankte ihnen für »den netten Abend« (ich fühlte mich moralisch wohler, wenn ich das Wort »Abendessen« vermied), und unser Vater antwortete mit schwacher, heiserer Stimme nach wiederholtem Erbrechen: »Natürlich ist es keine Fischvergiftung, es ist ein Virus!«
    An einem Freitagabend - Cassie war im siebten Monat - sah sie aus, als hätte sie eine von Vivicas Fischbouletten verspeist.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich. »Du bist so blass.«
    Sie nickte, aber wenig überzeugend. »Mir geht es gut. Ich hatte gehofft, dass ich Hubert Fitzgerald gestern loswerden könnte, aber die Richterin hat beschlossen, die Sache bis Montag hinzuziehen.«
    »Wie ärgerlich.« Aber das erklärte nicht ihren mehligen Teint. »Und wie läuft es mit George?«
    Sie verspannte sich. »Super. Er will mir jeden einzelnen Penny abnehmen, das Haus, das Auto, einfach alles. Und er hat vor, das alleinige Sorgerecht für Cleetus zu beantragen.«
    »Cleetus?«

    »Cleetus den Fötus.«
    »Cassie! Willst du … ich meine … natürlich ist es ein interessanter Name … äh, ich … weißt du schon, ob es ein Junge wird, äh …«
    Sie begann zu lächeln, und es war ein richtiges Lächeln, keine Grimasse. »Das ist bloß ein vorläufiger Name, der Arbeitstitel. Ich weiß nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird.«
    Mein Hirn strampelte sich ab, um sie einzuholen. »Moment. George will das Haus? Er will das Baby großziehen, und du sollst es nur am Wochenende sehen? Ich würde ihm nicht mal eine Topfpflanze anvertrauen! Und das hat er wirklich ernst gemeint?«
    Sie nickte, und die Haut um ihre Augen wurde rosa.
    »Was halten seine Eltern davon?«, fragte ich.
    Sie zuckte mit den Achseln. »Ich habe nichts von ihnen gehört. Entweder sind sie rasend wütend auf mich, oder sie sind noch in den Ferien. George ist ihr Goldschatz. Sie wollen alles, was er will.« Dann lächelte sie wieder - diesmal gekünstelt. »Ach was. Das wird sich alles einrenken.«
    Ich hätte die ganze Geschichte gern ausführlicher mit ihr besprochen, aber ich hatte Angst davor. Die Kritikerin in meinem Kopf verschränkte die Arme und feixte. Ach, Elizabeth. Das Pferd, das stets im letzten Moment zurückscheut. Du kannst dich wirklich keinem Kampf stellen, du weichst jeder Konfrontation aus, weil du so schwach bist.
    Ich bin überhaupt nicht schwach, widersprach ich schwach. Ich weiche nicht jeder Konfrontation aus. Habe ich die vergammelten Avocados etwa nicht in den Supermarkt zurückgebracht?
    Die Rückkehr der Gammelavocado! Die Geschichte muss umgeschrieben werden! Eine absolute Spitzenleistung. Das
schreiben wir auf deinen Grabstein! Wie ich den stellvertretenden Geschäftsführer mit seiner Teenagerakne im Supermarkt zur Rede stellte. Mann, das war echt hart - Waffen, Messer, kaum Überlebende, und er hat dich nicht mal mit »Madam« angesprochen …
    Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Dann griff ich nach meinem Mantel und rief ein Taxi.
     
    Mrs Hershlag war zu sehr Dame, als dass sie einem Gast mit offenem Mund gegenübergesessen hätte, darum klappte sie ihn nach drei Sekunden wieder zu. Mr Hershlag sah seine Frau lange kopfschüttelnd an. Seine Hände umklammerten die Armlehnen seines Sessels, und mir fielen die arthritischen Knoten an seinen Fingergelenken auf. Dann sah er mich an, und sein Gesicht war so zornig, dass ich fast losgewimmert hätte. Ich stellte meine Porzellantasse mit einem Klappern auf die Untertasse

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