Meine Schwester und andere Katastrophen
Blasenschwäche und Krampfadern beglücken. Plötzlich kam mir der Gedanke, dass Lizbet sich all diesen kleinen Prüfungen der Schwangerschaft überglücklich unterworfen hätte.
Ich unterdrückte meine Telefonnummer, damit sie nicht sah, dass ich es war, und rief sie auf dem Handy an.
»Häng nicht auf«, sagte ich, als sie antwortete.
Schweigen.
Ich nahm das als gutes Zeichen und fragte: »Wo bist du gerade? In der Arbeit oder zu Hause?«
»Weder noch«, antwortete sie. »Ich habe keine Arbeit und kein Zuhause mehr. Ich stehe mit einem Koffer auf der Straße.«
Ihre Stimme war wie Stein, so strengte sie sich an, nicht zu weinen.
»Was?«, fragte ich. »Auf eurer Straße? Ich bin sofort da.«
Ich sprang vom Sofa auf, nur um festzustellen, dass ich null Kraftreserven hatte und kaum noch Luft bekam. Mein Kopf fühlte sich an, als wollte er mir vom Hals schweben, und das war wirklich kein besonders vertrauenerweckendes Gefühl. Meine Beine wurden zu Wachs, und ich kippte aufs Sofa zurück. »George!«, keuchte ich, aber der war unter der Powerdusche und incommunicado . Ich schaffte es, eine Flasche BadoÎt zu ertasten - agh! -, die er aus dem Fitnessclub mitgebracht hatte, und fühlte mich nach zwei Minuten wieder besser, obwohl meine Hände immer noch zitterten. Diesmal stand ich langsamer auf. O Mann, wie unangenehm. Ein kleiner Vorgeschmack aufs Alter.
Lizbet saß auf dem Beifahrersitz des Mercedes, und ich
würde keinen Ton darüber verlieren, dass ihre hohen, spitzen Schuhe das beige Leder verschmierten, weil sie keine Sekunde ruhig sitzen konnte. Ich wollte mehr erfahren, aber sie drehte sich nur zu mir um und erklärte: »Ich kann im Moment nicht mit dir sprechen.«
Ich hielt den Mund. Sophie Hazel Hamilton hat eine fette Cousine, die keine Kinder bekommen kann und der sie drei Monate nach Justins Geburt auf einer Hochzeit begegnete. Die Cousine begrüßte Sophie mit den Worten: »Du hast gerade ein Kind bekommen und bist schon wieder schlank, du blöde Kuh.« Soweit es mich betraf, verhielt sich meine Schwester mustergültig.
»Ich will hier nicht bleiben«, sagte Lizbet, während sie zusah, wie ich ihren Koffer ins Haus schleifte.
»Lass den Koffer fallen!«, röhrte George, der, die Haare in ein Handtuch gewickelt, die Treppe heruntergedonnert kam. »Du darfst doch nicht HEBEN! Sie ist schwanger, hast du das vergessen?«, fügte er mit Mörderblick auf Lizbet hinzu.
Zum ersten Mal an diesem Abend sah ich meine Schwester richtig an. Ihr Gesicht war kreidebleich. Außerdem war es gelb, grün und lila.
»Lizbet! Dein Gesicht …«
»Ich hatte am Freitag einen kleinen Auffahrunfall«, erwiderte sie.
Womit ich schuld an der Sache wäre. Ich wartete kurz ab und stellte ihr dann eine Frage, die ihr zeigen sollte, wie sehr sie mir am Herzen lag. Und vermasselte sie. »Wird sich Tim um Sphinkter kümmern?«
»Sphinx!«
Ich seufzte. Das war typisch Lizbet. Sie sah nie das Gesamtbild, selbst wenn die Mona Lisa darauf war, sie sah den winzigen, bedeutungslosen Makel auf dem Bild, etwa, dass
der Rahmen abblättert. Es war eine peinliche Mischung aus Omahaftigkeit und Überschwang. Ich sank wieder aufs Sofa. »Was zu trinken, George«, flüsterte ich, und er stampfte davon.
George kehrte mit zwei anscheinend identischen Gläsern Wasser zurück.
»In deinem ist ein winziger Schuss Wodka«, sagte er zu Lizbet.
»Ich bin keine Alkoholikerin, klar?«, fuhr sie ihn an. Im nächsten Moment kippte sie das Glas weg, und schon wirkte ihr Körper nicht mehr so angespannt.
»Ein harter Tag«, sagte ich schließlich.
»Findest du?«, antwortete sie. Dann brummte sie: »Wichser.«
»Wer ist ein Wichser?«, fragte George kampfbereit.
»Wer ist keiner?«, gab meine Schwester zurück.
»Tim hat deine Koffer gepackt, stimmt’s?«, fragte George.
»Richtig.«
»Du hast dich unmöglich aufgeführt«, sagte George. »Was hast du denn erwartet?«
»Ich habe ein Baby erwartet, George«, sagte Lizbet.
»Tim auch«, erwiderte George, der es einfach nicht gut sein lassen konnte.
Lizbet starrte ihn mit blutunterlaufenen Augen an. »Warum hältst du nicht einfach den Mund, du hast doch keine Ahnung von gar nichts . Wie kannst du es wagen, dich so aufzuspielen und mir -«
»Ich glaube«, sagte ich - die ersten Worte, die ich gesprochen hatte -, »George versucht dir in seiner uncharmanten Art zu erklären, dass jeder sehen kann, wie sehr dich Tim liebt, und dass diese Liebe zu dir etwas sehr Bewegendes und Besonderes
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