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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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Zaunlatte waren. Und selbst wenn es wahrscheinlich tatsächlich einen Punkt gab, an dem es alles nur noch schlimmer machte, auf »so einer Sache herumzureiten«, war das Problem bei Mummy, dass dieser Punkt bereits eine Minute nach der betreffenden »Sache« gekommen war.
    »Daddy sagt, ich soll dich an Tante Edith erinnern«, fuhr sie fort. »Das hatte ich ganz vergessen. Dass Cousine Denise Kindergeburtstagseinladungen verschickt hat … Edith wird fünfundsiebzig! Und noch dazu ist es in Bushey. Meschugge! Und wir sollen Abendgarderobe anlegen. Du weißt, dass sie sich wieder von Kopf bis Fuß in Pailletten hüllen werden. Auf Ians Fünfundzwanzigstem warst du ja nicht. Da trug Denise einen übergroßen paillettenbesetzten Mantel. Gestreift. Schwarz-rot-weiß. Alles in Pailletten. Sie sah aus wie eine Schlange, die sich häuten will.«
    Mummy und ich hatten keine hohe Meinung von der ganzen Mischpoke - Tante Edith ausgenommen. Wir hielten unsere Verwandten für engstirnige Vorstadtlangweiler. Im Gegenzug hielten sie uns für bemitleidenswerte, schräge Exzentriker. Ich wollte wirklich gern Tante Ediths Dreivierteljahrhundert feiern - aber weniger gern mit Denise, Ian und einem ganzen Raum voller Pailletten.
    »Wann ist das noch mal?«
    »Am Sonntag in sechs Wochen. Er sagt, du sollst es in deinen Kalender eintragen. Sie haben Daddy gebeten, für den Champagner zu sorgen. Natürlich. Nicht dass es ihn stören würde.«
    »Was schenkst du ihr?«
    Mummy seufzte. Ich hörte ein Feuerzeug klicken. »Ich nehme was aus der Porzellanabteilung von John Lewis. Ich mach mich deswegen nicht meschugge.«

    Ich schwieg. Ich hatte Tante Ediths Fünfundsiebzigsten tatsächlich vergessen und stattdessen für diesen Tag einen Ausflug mit Peter-dem-Friseur ins Spa des Dorchester in meinen Terminkalender eingetragen. Ich hatte ein ausgefülltes Leben, und meine weitere Verwandtschaft nahm in meinem Leben nicht den Raum ein, den sie ihrer Meinung nach verdient hatte. Ehrlich gesagt konnten mich Ian und Denise am Allerwertesten lecken, aber Tante Ediths wegen hatte ich ein schlechtes Gewissen. Sie war in meiner Kindheit eine starke, liebende Konstante gewesen, und ich hatte sie vernachlässigt, seit ich erwachsen war. Ich würde den Ausflug ins Dorch verschieben.
    »Ich könnte auch auf der Website von Tiffany nachschauen und eine hübsche Vase für sie aussuchen«, schlug ich vor.
    »Eine Vase von Tiffany ?« Mummys Tonfall ließ erkennen, dass damit nur ein guter Markenname vergeudet würde. »Schatz«, ergänzte sie, »wenn du erst mal so alt bist wie sie, werden John Lewis und Tiffany austauschbar. Im Gegenteil, John Lewis hat da noch mehr Last.«
    Ich beschloss, ihr nicht zu widersprechen. »Ich werde mich umsehen und ein Geschenk von uns allen besorgen.« Mir kam ein Gedanke. »Weiß Lizbet von der Party?«
    »Ich habe ihr gerade eben auf den Anrufbeantworter gesprochen. Obwohl sie solche Dinge eigentlich nie vergisst.«
    Mehr noch, normalerweise nahm Lizbet mich und Mummy an die Kandare und organisierte nicht nur das gemeinsame Geschenk sowie den Transport dorthin, sondern sorgte auch dafür, dass wir uns an den Dresscode hielten (zehntausend Pailletten hin oder her) und zur Feier erschienen. Ich war mir unschlüssig, ob sie diesmal mitkommen würde. Nicht mal Lizbet konnte volle sechs Wochen durchschmollen! Quatsch, natürlich konnte sie. Der Schmollrekord in unserer
Familie steht bei fünfundzwanzig Jahren. (Aufgestellt von Großonkel Keith, der seinen Cousin zweiten Grades Malcolm verstoßen hatte, weil er Malcolms Ehe mit der Koreanerin Nelly nicht guthieß. Mummy behauptete immer, Keith sei nur eifersüchtig, weil er selbst mit der Schottin Miriam zusammenleben musste.) Ich legte die Hand auf meinen Bauch, um mich zu beruhigen, fühlte mich aber immer noch niedergeschlagen. Alles hätte perfekt sein können, aber das war es nie.
     
    Hubert Fitzgeralds Gesicht war lila wie eine Aubergine. Es war der Vormittag der zweiten Anhörung, und ich versuchte ihm beizubringen, dass wir verlieren würden, falls es zu einer Verhandlung käme, aber das wollte er nicht hören. Er hatte es im Leben so weit gebracht, dass ihm kaum jemand mehr widersprach. Und so trommelte er mit seinen manikürten Nägeln auf den Tisch, während mich sein Blick mit Verachtung strafte. Im Zimmer war praktisch keine Luft zum Atmen; mir war elend. Ich nahm immer wieder einen Schluck Wasser, um das Schwindelgefühl zu vertreiben. Inzwischen war ich im vierten

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