Meine Schwiegermutter ist cooler als deine
-Menschen-Moloch zurechtfindet, auf einer 9 00 0-Einwohner -Insel |18| nicht viele Gedanken machen müsse, fand kein Gehör. Mein zweiter Hinweis, dass jemand, der in seiner Freizeit mit bloßen Händen
Bretter und Ziegelsteine entzweihaut, auch in der Lage sei, sich aus eventuellen misslichen Situationen zu befreien, konnte
Minnie ebenfalls nicht beruhigen, und sie war drauf und dran, zur Polizei zu gehen. Irgendwann tauchte Kenji dann auf. Er
war im Wasser gewesen, hatte ausgiebig mit der Schwimmlehrerin meiner Kinder geflirtet und danach für uns alle Eis am Stiel
gekauft.
Aber meistens hat sie die Ruhe weg. Ihr Erfolgsgeheimnis: Wenn es um das Wohlergehen ihrer Liebsten geht, hat sie keine Skrupel.
Wenn ihr irgendwas nicht passt, ruft sie tatsächlich den Bürgermeister an, während ich daneben sitze und sie mit Gesten zu
beschwichtigen versuche. Doch am Ende setzt sie sich durch. Man kann ihr nichts abschlagen. Und ihre Papardelle mit Lachs
– also, die sind wirklich großartig.
|19| Lillis Erfolg oder: Abenteuer im Grödnertal, Teil 1
Wenige Wochen nach Erscheinen meines ersten Buches ›Laura, Leo, Luca und ich‹ flüchtete ich mit der Familie für ein paar Wochen
in die verschneiten Berge, um den Interviewanfragen, Autogrammjägern und Groupies zu entkommen. So einen Satz wollte ich immer
schon einmal schreiben, wenngleich er natürlich erstunken und erlogen ist. Nur meine Tanten riefen ein paar Mal bei mir an,
weil sie hier und da mein Bild in der Zeitung gesehen oder meinen Namen in einem Magazin gelesen hatten. Erstes Fazit: Gar
nicht so einfach, in der heutigen Zeit richtig berühmt zu werden. Da muss schon das Gesicht ein paar Mal in ›Explosiv‹, ›Blitz‹
und ›Bild‹ auftauchen. Und zwar am selben Tag.
Wahr ist, dass wir uns einen Winterurlaub gönnten. Wir fuhren ins Grödnertal, eine Art Südtirol-Konzentrat: drei kleine Orte,
einer davon mit dem schönen Namen Wolkenstein und einer Million Übernachtungen pro Jahr. Vom Papier her nicht gerade das Richtige
für mich, der ich mich auf Skiern nicht besonders heimisch fühle. Lassen Sie es mich mal so formulieren: Würde ich mich in
den Wellen |20| der Adria so bewegen wie auf der Skipiste, müsste ich Schwimmflügel tragen. Doch hier kommt ein Geheimtipp, damit dieses Buch
auch einen echten Nutzwert hat und nicht nur der schnöden Unterhaltung dient: Machen Sie zehn Tage vor Karneval Ihren Winterurlaub.
Das ist zumindest in Südtirol die leerste Woche der Saison. Familien mit schulpflichtigen Kindern sind verhindert und stoßen
erst wieder in der Faschingszeit dazu, und die
settimana bianca
, die die italienischen Lehranstalten ihren Schülern gestatten, um sich auf Snowboards über den Haufen zu fahren, findet in
der Regel Ende Januar statt und ist also auch schon meist eine Sache der Vergangenheit.
Das Grödnertal oder Val Gardena, das im Wesentlichen aus Sankt Ulrich, Santa Christina und Wolkenstein besteht, gefällt grundsätzlich
allen Italienern gut und vor allem den Italienerinnen, denn das Tal hat eine lange Holzschnitztradition. Jeder dritte Laden
offeriert Gekreuzigte, Madonnen, Heilige, Rehkitze, mannshohe Eichhörnchen, die an Eicheln knabbern, und ähnliche Handarbeiten,
über die ich es längst aufgegeben habe, mit Laura zu streiten. Ich muss nun einmal damit leben, dass unsere Wohnung über die
Ehejahre hinweg von diesem Zeug allmählich in Besitz genommen wird. In düsteren Träumen sehe ich, wie ein hölzernes Rieseneichhörnchen
kichernd an meinem Schreibtisch sitzt, während ich vergeblich von außen an die Tür klopfe.
Jedenfalls quartierten wir uns im »Monte Pana« ein, einem sehr empfehlenswerten Hotel etwas oberhalb des Tals und direkt an
der Skipiste. Klar, dass Laura über Freunde von Freunden den Besitzer kennt und mit ihm einen Spezialpreis vereinbarte, der
so weit unterhalb des offiziellen |21| Listenpreises lag, dass ich mich bis heute frage, wie hoch wohl die Gewinnspannen im Hotelgewerbe so sein mögen. Lilli steckten
wir in einen Skikurs, und ich gönnte mir eine Stunde mit einem Skilehrer namens Marco Runggaldier – Sportfans werden verstehen, dass ich elektrisiert war, als ich den Namen hörte 2 . Nun ja, Marco bescheinigte mir höflich ein gewisses Talent, doch ich war stark abgelenkt vom Schluchzen meiner Tochter,
die sich im Skikurs ganz und gar nicht wohlzufühlen schien und dem ganzen Tal ihr Leid mitteilte. Du meine Güte, das arme
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