Meine Seele weiß von dir
läutet.
Aber das passiert nicht.
Wer kann das gewesen sein?
Leander sicher nicht! Und auch Lisa würde sich melden. Ich gehe in Gedanken die Personen durch, denen ich begegnet oder wiederbegegnet bin: Doktor Romberg natürlich. Und Doktor Yvonne. Isi, Werner, Monika und Rick. Und Heiko Hertz.
Aber warum sollte jemand von ihnen anrufen und nichts sagen? - Andererseits gilt das selbstverständlich auch für die Personen, denen ich noch nicht wiederbegegnet bin, wie meiner Mutter oder Klaus, Lisas Verlobtem.
Wenn es ein technisches Problem gab, müsste der Anrufer es eigentlich noch einmal versuchen, was er jedoch nicht tut. Falls sich jemand lediglich verwählt hat, hätte er entweder sofort wieder aufgelegt oder sich entschuldigt und den Irrtum aufgeklärt.
Beabsichtigte der- oder diejenige mir womöglich etwas zu sagen und im letzten Augenblick hat ihn oder sie der Mut verlassen? Leander wollte unbedingt mit mir reden! Es sei wichtig, hat er gesagt.
Ich kann es drehen und wenden, wie ich mag , egal wie sehr ich mir auch den Kopf zerbreche, ich komme zu keinem Ergebnis.
Nachdem ich mich angezogen habe, gehe ich in mein Atelier und rufe Leander auf seinem Handy an. „ The person you have called is temporar il y not available”, verkündet eine emotionslose Frauenstimme aus der Konserve .
Ich unterbreche die Verbindung.
Nachdenklich betrachte ich Leanders Foto und das Lindenblatt. Als ich hinausgehe, fällt mein Blick auf den Telefonapparat. Er klingelt nicht noch einmal. Ich beschließe, die ganze Sache zu vergessen – denn darin, sage ich mir, bin ich schließlich unschlagbar.
Stattdessen werde ich Frau Hischer fragen, ob sie eine Ahnung hat, wo die verflixten Schlüssel zu meinem Schreibtisch sind, die ich nicht finden kann.
Was habe ich bloß darin verwahrt?
In der Küche ist es laut und gemütlich. Frau Hischer dreht das Radio leise. Ich setze mich an den Tisch und lade sie ein, sich dazuzusetzen .
Sie reißt die Augenbrauen in die Höhe und schaut aus, als hätte ich ihr ein unanständiges Angebot gemacht.
„Was ist los?“, frage ich daraufhin. „Nein! Ersparen Sie mir die Antwort. Normalerweise bitte ich Sie nicht, mit mir zu frühstücken oder eine Tasse Kaffee mit mir zu trinken, stimmt’s?“
„Mhm, stimmt! Genau genommen, mache ich Ihnen noch nicht einmal das Frühstück, weil Sie eh nur schwarzen Kaffee trinken und höchstens mal eine Scheibe Vollkornbrot essen.“
Ich verdränge die Gedanken an meine zwickenden Hosen und streiche dick Butter auf eines der warmen Hefebrötchen.
„Und warum haben Sie es heute getan?“, frage ich mit vollem Mund. Ein wenig geschmolzene Butter läuft über mein Kinn. Ich wische sie mit der Serviette fort.
Frau Hischer zuckt die Achseln. „Sie taten mir leid. Da dachte ich mir, dass ein gutes Frühstück jedenfalls nicht schaden kann. Es ist eine Ausnahme.“
„Ach so. Bitte, machen Sie noch eine Ausnahme, holen Sie sich ein Gedeck und setzen Sie sich zu mir.“ Ich nehme ein zweites Einback, lächele ihr dabei zu. „Es würde mich freuen.“
Also frühstückt Frau Hischer mit mir, erzählt, dass sie unverheiratet und kinderlos ist, aber einen hellen Cockerspaniel hat, der, sehr zu meinem Vergnügen, Herr Hischer heißt. Sie plaudert von dem Urlaub bei der Familie ihrer Schwester und erklärt mir, dass sie nie für Leander und mich kocht und nur zum Putzen und Bügeln ins Haus kommt.
„Fürs Grobe“, nennt sie das. „Nur fürs Grobe.“
Über mich verrät sie mir keine Silbe. Ich vermute, dass Leander sie darum gebeten hat.
Bei unserer dritten Tasse Kaffee fällt mir der verschlossene Schreibtisch ein. Ich frage Frau Hischer, ob sie die Schlüssel gesehen hat, was nicht der Fall ist. Aber sie verspricht, beim Saubermachen darauf zu achten, und als ich erwähne, dass Leander sich noch immer nicht aus Berlin gemeldet hat und ich gerne wüsste, ob er gut angekommen und in welchem Hotel er abgestiegen ist, lacht sie und sagt: „Er wird sicher im ComeIn Hotel am Humboldthain abgestiegen sein – wie immer, wenn er in Berlin ist. Aber jetzt muss ich wirklich etwas tun, Kindchen.“
Kapitel 14
In der Ruhe meines Ateliers verziere ich ein silbernes Medaillon mit Arabesken. Die Gravurarbeiten sind eine knifflige Angelegenheit. Sie fordern meine ungeteilte Aufmerksamkeit , was gut ist.
Erst als mein Magen knurrt, fällt mir auf, dass es schon später Nachmittag ist. Somit muss es eine ganze Weile her sein, seit Frau Hischer
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