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Meine total wahren und ueberhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb

Titel: Meine total wahren und ueberhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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ein Mädchen gesehen, das am Daumen einen Ring hat. Sie stand bloß da. Von wo sie gekommen war, wussteich überhaupt nicht. Sie war genauso groß wie ich, also fast einen Meter vierzig. Ohne den Turm auf ihrem Kopf, der zählte nicht mit. An den Füßen hatte sie weiße Sandalen, die sahen neu aus.
    Ich stand genau vor ihrer Tür, wie einer, der heimlich lauscht und dabei erwischt wird.
    Ich hatte nur den Kopf gedreht, sonst nichts. Mein Kopf war nach links gedreht, der Rest schaute zur Tür. Hinter Annalena klapperte Geschirr.
    »In Bayern sind doch noch gar keine Ferien«, sagte sie. Ich stand da und schaute sie an, und der Rest von mir schaute die Tür an.
    »Wir in Berlin haben schon seit einer Woche Ferien. Ich bin zum ersten Mal in München. Ist nicht schlecht. Die Bayern sind lustig. Manchmal versteht man kein Wort. Bist du ein echter Bayer? Hast du eine Lederhose? Wohnst du auch hier im Hotel?«
    Ich stand da und schaute ihren Mund an, und der Rest von mir schaute die Tür an.
    »Meine Eltern haben gemeint, das wär mal eine Abwechslung«, sagte sie. »Sie wollten raus aus der Stadt und in den Süden. Sie haben Geschäftsfreunde am Tegernsee. Weißt du, wo der Tegernsee ist? Meine Eltern haben ein Uhrenfachgeschäft, auf dem Kurfürstendamm, der ist in Berlin. Warst du schon mal in Berlin? Berlin ist die Hauptstadt von Deutschland. Entschuldige, ich red schon wieder viel zu viel. Meine Mama sagt immer, ich hätte einRadio verschluckt, wenn ich so viel rede. Aber du sagst ja nichts. Simon. Du hast ja deine Schuhbänder gar nicht zugebunden. Da musst du aufpassen. Wenn du zu schnell läufst, stolperst du und fällst hin. Hast du Hunger? In der Towers Lounge kostet das Essen für uns nichts. Komm, ich lad dich auf ein Müsli ein. Warum sagst du nichts, Simon?«
    Ich stand da und schaute in ihre Augen, aber sie waren zu weit weg. Ich konnte mich nicht drin sehen.
    »Simon?«, sagte sie.
    Sie machte einen Schritt auf mich zu. Mein Mund ging auf.
    »Du bist irgendwie komisch, Simon«, sagte sie. »Sag doch was. Du hast kein Radio verschluckt, das ist sicher.«
    Ich wusste, dass mein Mund offen stand. Ich wollte ihn zumachen. Das ging nicht.
    Da streckte Annalena ihre Hand aus und klappte ihn zu. Sie klappte meinen Mund zu.
    Dann lächelte sie in meine Richtung. Ich hatte noch nie ein Mädchen so in meine Richtung lächeln sehen.
    Ich stand da, mit dem von ihr zugeklappten Mund. Ich schaute ihr Lächeln an, und der Rest von mir schaute die Tür an.
    »Jetzt komm«, sagte sie und nahm meine Hand und führte mich durch den Flur.
    Am Ende meines ausgestreckten Arms umklammerte ihre Hand mein Handgelenk.
    Ich ging hinter ihr her und schlurfte mit den Chucks, was man aber nicht richtig hören konnte, weil der Teppich das Schlurfen dämpfte.
    Mit ihrer Hand an meinem Handgelenk gingen wir in die Towers Lounge. Da saßen ein Haufen Leute beim Frühstück. Vor dem Fenster breitete sich eine riesengroße Stadt aus, größer als jemals zuvor. Ich schaute beim Gehen hin und hin und hin. Und dann stand Annalena im Weg, und ich rumpelte volle Hütte gegen ihren Rücken. Vor Schreck stießen wir beide einen Schrei aus.

Sechzehn
    Donnerstag und Freitag
    Dann sagte sie: »Endlich hast du deine Sprache wiedergefunden.«
    Und ich sagte: »Ja, genau.«
    Was dann passierte, fiel mir erst wieder ein, als ich auf der Vogelinsel im Gebüsch gelegen und gestorben bin: weil mein Herz vor lauter Denken keine Luft mehr kriegte.
    Wir saßen an einem Tisch vor dem Panoramafenster. Ich mit dem Rücken zum Fenster. Wir tranken heiße Schokolade. Annalena trank, ich trank nicht. Ich hatte keine Zeit zum Trinken. Dauernd musste ich sie anschauen, besonders den blauen Ring an ihrem Daumen.
    »Deine Schokolade wird kalt«, sagte sie.
    Irgendwann sagte ich auch was.
    Ich sagte: »Das Hotel hat 629 Zimmer, vier große und vier fastgroße Swieten und zwanzig Juniorswieten. Meine Ma arbeitet in der Küche. Sie ist Köchin. Und die Ma meines besten Freundes ist Kellnerin in den Hofbräustuben unten.«
    Nach einer Zeit lang sagte sie: »Aha.«
    Sie trank ihre Schokolade. Ich schaute sie an. Dann hörte ich, wie sie sagte: »Meine Freundin Jil wird gleich kommen. Wenn du magst, kannst du mit in die Stadt kommen. Wir fahren mit der U-Bahn. Du könntest unser Geid sein.«
    »Was kann ich sein?«
    »Unser Geid. Du kannst uns erklären, wo was ist.«
    »Wo was ist?«, fragte ich.
    »Läden, Sehenswürdigkeiten.«
    »Ach so«, sagte ich.
    Und sie sagte: »Ach,

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