Meine Väter
nicht geben konnte. Früh schon entstand eine enge emotionale Bindung, die einen Muttersohn hervorbrachte und ein Leben lang anhalten sollte.
Ferdinand Bronner, der niemals die Liebe eines Vaters erfahren hatte und der, als Ehemann und Vater, alle seine Kräfte aufwendete, der kümmerlichen Existenz eines schlecht bezahlten Schullehrers und seines Judentums zu entkommen und als Künstler seine Begabungen zu entfalten, dieser Mann wurde in der Familie zunehmend zum Fremdkörper. Die Kluft zwischen ihm und dem jungen Arnold, der ein mittelmäÃiger Schüler war und dem hochgebildeten Vater nicht das Wasser reichen konnte, wuchs.
Es wäre Marthas Aufgabe als Mutter gewesen, eine Brücke zwischen beiden zu schaffen. Das aber tat sie nicht. Im Gegenteil, sie stand immer auf der Seite des Sohnes und schürte dessen Abneigung gegen den Vater.
Sie wirft nochmals einen Blick auf die Muttergestalten im dramatischen Werk Arnolt Bronnens, findet aber in seinem ersten Stück Recht auf Jugend keine edel verklärte Muttergestalt. Hier tritt die Mutter als der verlängerte Arm des Vaters auf: hart und kalt, kontrollierend und reglementierend, der Rest jammerndes Klagen: ein Abziehbild der Frau Wawroch in Ferdinand Bronners Familie Wawroch.
Im Vatermord Bronnens verbindet Mutter und Sohn ein stillschweigendes Einverständnis, indem sie sich gemeinsam des Vaters als Objekt des Hasses entledigen. Es ist letztlich die Mutter, die den Sohn zum Vatermord antreibt. Im überarbeiteten Entwurf des Stücks wird die aktive Rolle der Mutter noch stärker herausgestellt.
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»Walter: Jemanden muà man erschlagen
Mutter: Wen
Walter: Ich kenn ihn nicht
Mutter: Du kennst ihn
Walter: Nein
Mutter: Der jetzt die Treppe heraufkommt
Walter: Nein
Mutter: Der jetzt durch den Gang geht
Walter: Nein
Mutter: Der die Tür aufsperrt
Walter: Geh weg er sieht uns ich kenn ihn nicht nein
Mutter: Der der da
Walter: leise erstickt zitternd
ââââJja«
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Martha Bronner war eine sittsame, keine brünstige Mutter, eine ruhige und gesellige bürgerliche Frau. Impulsivität lag ihr fern, von mysteriöser Triebhaftigkeit keine Spur. Daà Pfarrer Schmidt im Schlaf über sie kam, wie es in ihren Briefen heiÃt, ist nicht auszuschlieÃen. Das Leben ist keine moralische Anstalt.
Doch warum hetzte sie durch ihre Andeutungen und ihr düsteres langes Schweigen den Sohn geradezu auf den Vater?
Verbarg sich hinter ihren Briefen der Wunsch, sich an ihrem autoritären Ehemann zu rächen?
Mit den Rassengesetzen, die nach der Einverleibung Ãsterreichs ins GroÃdeutsche Reich das Blatt wendeten, wuchs ihr urplötzlich als »reinrassige Arierin« unverhofft eine besondere Bedeutung zu: das Leben ihres Ehemanns hing jetzt von ihr und ihrer Solidarität mit ihm ab.
War sie so infam, eine fast vierzigjährige Ehe aufs Spiel zu setzen? Den Lebensbau ihres Mannes zum Einsturz zu bringen?
Sie zweifelt daran.
In Gedanken kehrt sie zurück zu Etiel, dem Vater Ferdinands, dem angeblichen Findelkind. In dieser Familie, so scheint es, setzt sich etwas fort, das das Fundament der herrschenden Gesellschaft, die Vaterschaft, über Generationen hinweg in Frage stellt.
Mater certissima, pater semper incertus , die Mutter steht immer fest, der Vater bleibt stets ungewiÃ: der berühmte Text des römischen Rechts erweist seine ungeheure Tragweite. Die Vaterschaft kann nur vermutet werden, und die angeblich zu frühe Geburt als Achtmonatskind gilt Bronnen als feststehendes Indiz, kein Bronner zu sein.
Sich Wilhelm Andreas Schmidt, den Pfarrer, als seinen Vater vorzustellen gelingt ihr nicht. Immer wieder hat sie die Fotos der beiden betrachtet und kann nicht die geringste Ãbereinstimmung feststellen.
Ich erinnere mich der ÃuÃerung meiner Mutter. Sie erzählte, Arnolt sei »tobsüchtig« geworden, wenn das Thema auch nur angesprochen wurde, ähnliches berichtete seine Witwe Renate, die ihn kein zweites Mal zu fragen wagte.
Selbst Ferdinands Enkel, Dr. Hans Bronner, in Linz, in Sachen Bronnen mehr als zurückhaltend, betonte die verblüffende Ãhnlichkeit zwischen Ferdinand und Arnolt, die sich nicht nur aufs ÃuÃere beschränkte, sondern auch Mimik, Gestik, Sprachbegabung und die dramatische Ader einschlossen. Daà alle, die ihn kannten, übereinstimmend sagten, man könne im Sohn den Vater erkennen. Daà beide dieselbe
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