Meine Väter
plausibler. Je länger die Inkubationszeit, desto einsichtiger für den Leser.
Ihm war bewuÃt, daà seine kurvenreiche Biographie auf Interesse stoÃen würde, deshalb strebte er â zumindest nach auÃen hin â eine scheinbare Offenheit an, die um Lossprechung von persönlicher Schuld bemüht war und manchmal exhibitionistisch entgleiste. Allerdings: entscheidende Sachverhalte wie den Vaterschaftsprozeà lieà er doch in der Schwebe. Zu groà war offenbar seine Angst, daà die Gesellschaft vernichtend über ihn urteilen würde.
Doch das Geständnis verfehlte seine Wirkung. Die Kritik rückte von ihren Vorbehalten nicht ab.
Er wollte wieder ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft werden und tat das, was Hunderttausende, ja Millionen seiner Zeitgenossen taten: Er schob alle Schuld den Nazis in die Schuhe. Sie waren es, die ihm befahlen, die Abstammungsklage einzureichen. Er versuchte, durch die Maschen
des neuen Arierparagraphen zu schlüpfen und sein Leben zu retten.
Mehr als sich selbst lieferte er mit dieser Klage allerdings Ferdinand Bronner ans Messer, den Mann, »der vom Tage Ihrer Geburt an Sie als sein Kind oder zum mindesten wie sein Kind ernährt, gekleidet und aufgezogen hatte«, so die Richterstimme im Protokoll .
Am 11. Oktober 1939 hatte sich Ferdinand im Wiener Amt für Sippenforschung Am Hof 4 einzufinden, mit seinem Tauf- und Trauschein, denen seiner Eltern und GroÃeltern und den Dokumenten von Martha.
Ein Schreckensweg lag vor ihm. Sein Leben war bedroht.
Am 17. Oktober 1939 wurde er erneut mit denselben Dokumenten dorthin zitiert. Ein handschriftlicher Vermerk war seiner Akte beigefügt:
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»behauptet von deutschem Vater (?) abzustammen
Soll Schwabe gewesen sein
Konnte lediglich Bescheide vorlegen
Behauptung denkbar unglaubwürdig
Sieht wie zwei Juden aus!
Reichsschrifttumskammer in Kenntnis setzen
(Urkunden von Adamus besorgen lassen)
behauptet Strobl, Jelusich u.a. Schriftsteller gut zu kennen!«
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Mit der Nennung dieser zwei heute unbekannten, damals jedoch renommierten Autoren verhielt sich Ferdinand Bronner geschickt im Sinne des Systems. Karl Hans Strobl, ab 1925 Präsident des österreichischen Schriftstellerverbands, war seit 1933 NSDAP -Mitglied, wurde 1934 von der Tschechoslowakei wegen »staatsgefährlicher Betätigung« ausgewiesen und war nach dem Anschluà am Bekenntnisbuch österreichischer Schriftsteller beteiligt, an dem auch Mirko Jelusich, Mitglied dreier Corps und Redakteur des Ressorts Theater und Kunst von 1923 bis 1933, mitwirkte. Strobl tat sich mit Werken wie Eine gute Wehr und Waffen und Zwischen Weichsel und Karpathen , Jelusich schon im Ersten Weltkrieg mit dem Kriegs-Vaterunser hervor.
Jelusich war ein Befürworter des »Anschlusses« Ãsterreichs an Deutschland und wurde 1931 erster Vorsitzender und schlieÃlich Leiter des Kampfbundes für deutsche Kultur in Wien, einer Organisation, die den Nationalsozialismus in Ãsterreich vorbereitete. Auch er beteiligte sich 1938 am Bekenntnisbuch österreichischer Schriftsteller .
Ferdinand hatte ihn wohl beim Wiener Dichterkreis, gegründet mit Genehmigung der Reichsschrifttumskammer, und als kommissarischen Leiter des Burgtheaters kennengelernt. Zudem war Jelusich mit Ferdinands Freund, dem nationalen Schriftsteller Arthur Trebitsch, bekannt.â
Aufgrund des Vermerks des Sippenamtes in Wien sandte der willige Gauhauptstellenleiter Mixa am 23. Oktober 1939 an Professor Max Stebich in der Reichsschrifttumskammer am Schwarzenbergplatz 7 ein Schriftstück, daà anläÃlich einer Abstammungsüberprüfung des Schriftstellers Dr. Ferdinand Israel Wilhelm Bronner, geboren am 15. Oktober 1867 in Auschwitz, Bezirk BiaÅa, Galizien, festgestellt wurde, daà »derselbe als Jude gilt« â schlieÃlich war seine Mutter Jüdin: »Er behauptet zwar, daà sein Vater deutschblütig gewesen sei (ungarischer Schwabe), doch läÃt sich diese Behauptung aus verständlichen Gründen durch nichts beweisen. Ich teile Ihnen dies mit, weil ich aus dem Gespräch entnommen habe, daà er sich um die Mitgliedschaft der Reichstheaterkammer zu Beginn vorigen Jahres beworben hat.«
Gleichzeitig verfaÃte der Gauhauptstellenleiter der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei einen Brief an das Polizeirevier 130 in der Döblinger HauptstraÃe, in dem er berichtete, daÃ
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