Meine Wut ist jung
von Ihrer Mutter für Ihren Werdegang mitgenommen und wie kam es dazu, dass Sie Jurist wurden?
Ich habe von meiner Mutter sicherlich ihre Zähigkeit und auch Lebenstüchtigkeit geerbt. Nach dem Jurastudium war ich erst als Rechtsanwalt in einer Kanzlei und dann als Mitglied der Geschäftsführung der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber tätig. Ab 1972 wurde ich Berufspolitiker. Meine anwaltliche Tätigkeit nahm ich Ende der 1980er-Jahre wieder auf. Aber letztendlich war mein Jurastudium ursprünglich eine Verlegenheitsentscheidung. Die familiäre Anwaltstradition von Vater und Großvater gab wohl den Ausschlag für diese Entscheidung.
Mit welchen Zielen verbanden Sie die Anfänge ihres politischen Engagements?
Ich war durch den väterlichen Freund Grote politisch hoch motiviert und wir hatten durchaus Zweifel, ob das »Projekt Demokratie« gelingen könnte. Als Student an der Universität in Köln trat ich dem Liberalen Studentenbund bei. Mir war der liberale Grundgedanke wichtig, auch die damals heftig umstrittene soziale Marktwirtschaft. Rasch stieg ich in eine Führungsrolle auf. Wir pflegten einen politischen Stammtisch und beteiligten uns an den Uni-Wahlen. Unser Gegenpol waren die Burschenschaften, die wir als Reaktionäre bekämpften. Ich erinnere mich noch an eine Veranstaltung, die wir zum damals sehr aktuellen Thema Wiederbewaffnung organisierten. Wir hatten den Ex-General Hasso von Manteuffel eingeladen und befürchteten, dass man uns die mit Besuchern überfüllte Mensa auseinandernahm. Da konnte ich früh mein Geschick als Versammlungsleiter erproben.
Warum führte Sie dieser Weg gerade in die FDP?
Ein guter Freund sagte, jetzt sei es doch eigentlich konsequent, in die FDP zu gehen, um auf politische Entscheidungen Einfluss nehmen zu können. Ich war zunächst dagegen, denn die FDP in Nordrhein-Westfalen war mir nicht geheuer. Sie war noch durchsetzt von braunen Netzwerken. Ich wurde deshalb erst einmal Mitglied der Deutschen Jungdemokraten, der Jugendorganisation der FDP. Auch hier wurde ich sehr schnell zum Vorsitzenden in Köln gewählt, der ich dann fünf Jahre blieb. Nach einiger Zeit hatte ich mich dann doch entschieden, der FDP beizutreten, obwohl die FDP in NRW immer noch keine durch und durch liberale Partei war. Die alten Nazis und ihre Sympathisanten waren noch einflussreich. Da gab es zum Beispiel schwarz-weiß-rote Fahnen bei Partei-Veranstaltungen. Aber ich orientierte mich an Persönlichkeiten wie Theodor Heuss, Reinhold Maier, Thomas Dehler und anderen herausragenden Liberalen in der ganzen Republik.
Und die anderen Parteien waren keine Alternative?
Die Sozialdemokraten waren auf strikt sozialistischem Kurs und mir von ihrem Programm her fremd. Die Christdemokraten in Köln waren sehr konservativ, sehr »katholisch«. Bei Kandidaturen wurden Protestanten benachteiligt. Die Konfessionsschule, gegen die meine Freunde und ich heftig angingen, wurde verteidigt. Also blieb mir nichts anderes als die FDP übrig, wenn ich politisch tätig werden wollte - und das wollte ich.
Was genau waren Ihre programmatischen Ziele?
Während der zehn Jahre, die ich Vorsitzender des Kreisverbandes der FDP in Köln war, habe ich nicht nur intensiv Kommunalpolitik betrieben, sondern den Verband auch in eine sozial-liberale Richtung geschoben. Ein Höhepunkt war die von uns 1969 mit betriebene Wahl Gustav Heinemanns zum Bundespräsidenten.
Wir wollten den Mief der Adenauerzeit beenden. Wir kämpften gegen autoritäre Strukturen, die überall in der Gesellschaft bis in Familien hinein noch lebendig waren. Ein Hauptanliegen war die neue Deutschland- und Ostpolitik. Wir haben den Vietnamkrieg abgelehnt und die Notstandsgesetze. All diese Themen, die viele junge Menschen damals beschäftigten, waren auch unsere. Wir hatten enge Kontakte zu Ralf Dahrendorf und zu Ulrich Klug, der später Justizsenator in Hamburg wurde und ein überzeugter liberaler Strafrechtslehrer war. Und natürlich zu den beiden liberalen Vordenkern Werner Maihofer und Karl-Hermann Flach, dessen Thesen für eine Reform des Kapitalismus unsere Zustimmung fanden. Zu Dahrendorf hatte ich immer wieder Kontakt bis zu seinem Tod im Jahr 2009. Er hat die Leidensgeschichte der Freiheit in Deutschland und den Nationalsozialismus als ein deutsches Phänomen sehr genau analysiert. Immer ermunterte er uns, konfliktbereit zu sein, auch auf den Parteitagen, wo wir oft für gemeinsame Ziele eintraten. Und wir suchten die Verbindung zu Liberalen in
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