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Meinen Sohn bekommt ihr nie

Titel: Meinen Sohn bekommt ihr nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabelle Neulinger
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Anfang der dreißiger Jahre, über das harte Leben, das sie als Pioniere damals hatten, und über die Zeit bis zur Staatsgründung, als Tel Aviv weitgehend noch aus Sanddünen bestand.
    Tagsüber setze ich mich oft in den nahen Park des Hilton-Hotels, den sogenannten Unabhängigkeitspark. Er liegt auf einem Felsvorsprung direkt über dem Meer. Von dort aus kann ich den Blick ungehindert bis zum Horizont schweifen lassen, und mir kommen vor Freude die Tränen, wenn ich das Glitzern des Wassers, die Bucht von Jaffa und die Skyline von Tel Aviv vor mir betrachte. Alles fühlt sich ganz ruhig und gelassen an.
    Die glücklichen Momente, die ich bei meinen Erkundungstouren erlebe, lassen mich jedoch nicht mein oberstes Ziel aus den Augen verlieren: eine neue Arbeit. Ich schicke meine Bewerbungsunterlagen an mehrere Stellenvermittlungsbüros, und schon eine Woche später lande ich einen Treffer. Ein Hightechunternehmen, auf die Entwicklung von Finanzlösungen für den Schweizer Markt spezialisiert, stellt mich ein. Und sogar der Arbeitsort, Herzliya, ist mir vertraut. Diesmal befindet er sich in Meeresnähe, in Herzliya Pituach, einem Viertel, wo sich allerlei Firmen des Hightechsektors niedergelassen haben. Die Branche boomt, und die Arbeitgeber lassen sich alles Mögliche einfallen, um die besten Leute zu bekommen und zu halten: kostenlose Parkplätze, Essensgutscheine, Bonuswochenenden, Prämien – nichts ist für den verwöhnten Angestellten gut genug. Als Sahnehäubchen bezahlt mir die Firma sogar einen Hebräischlehrer, der mir zweimal die Woche bei mir zu Hause Privatstunden erteilt.
    Wenig später kaufe ich mir einen nagelneuen und, dank meiner Privilegien, steuerfreien japanischen Wagen. In nur fünf Monaten habe ich es zu einer Wohnung, einem Auto und einem Job gebracht. Meine Alija ist eine einzige Erfolgsgeschichte, selbst meine Verwandten staunen. Ich bin selig. Hierher zu kommen war das Beste, was ich tun konnte.

Nur in Israel
    Ich habe meinen Platz gefunden. Meine freie Zeit erlaubt es mir, mich nach Lust und Laune mit Land und Leuten meiner neuen Heimat auseinanderzusetzen.
    Seit 1930 gab es in Israel drei große Einwanderungswellen: Zuerst kamen die aschkenasischen Juden aus Mittel- und Osteuropa, dann die Sepharden, ursprünglich Juden der Iberischen Halbinsel, und zuletzt die Juden aus der ehemaligen Sowjetunion und aus Äthiopien. Das ergibt zusammen etwas mehr als sieben Millionen Einwohner – Einheimische und Zugezogene aus über dreißig Ländern. Die verschiedenen Ethnien, Religionen und Kulturen sowie die sozialen Unterschiede machen Israel zu einem Land mit einer ausgesprochen heterogenen, konfliktanfälligen Gesellschaft. Daher die Wendung «rak be Israel», nur in Israel. Wie schon ein bekannter israelischer Satiriker feststellte, ist Israel das einzige Land, das in den Regenmonaten Wasser auf Tankschiffen einführen lässt, wo Arbeitslose streiken oder Mütter die Mobiltelefonnummer des Feldwebels ihres Sohnes kennen. Es ist auch das einzige Land, in dem man in zehn Minuten Software zum Starten eines Raumschiffs erstehen kann, während man eine Woche darauf wartet, dass die Waschmaschine repariert wird.
    Im Gegensatz zu Europa, wo man sich bei den Themen Politik und Religion eher zurückhält, äußert man sich in Israel bereitwillig und an den unmöglichsten Orten dazu. Selbst am Strand hat man den Eindruck, jeder fühle sich persönlich dazu aufgerufen, die Probleme des Landes zu lösen. Und von diesen gibt es genug, von Sicherheitsfragen über wirtschaftliche Schwierigkeiten bis zu sozialen Konflikten.

    Die Bekanntschaft mit den Djukim, einem anderen festen Bestandteil des Lebens hier, verläuft weitaus weniger lustig. Die Djukim haben nichts mit den kleinen Schaben zu tun, die in europäischen Küchen umherwuseln und mit ihren Fühlerchen zaghaft umhertasten. In Israel sind diese Insekten fliegende schwarze Monster mit unzerstörbarem Panzer. Die einzige Möglichkeit, sie zumindest vorübergehend loszuwerden, ist, den Kammerjäger zu bestellen, was ich auch tue, nachdem ich mutig, aber erfolglos versucht habe, den Eindringlingen mit Insektenspray den Garaus zu machen. In seinem Ganzkörperanzug ähnelt der Schädlingsbekämpfer einem Astronaut, seine Gasmaske und die Flasche mit Insektenvertilgungsmittel auf dem Rücken, die aussieht wie ein Granatwerfer, tun ihr

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