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Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Titel: Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wibke Bruhns
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Geflecht ineinander verwobener Firmen vertrieb er aus ganz Europa herbeigeschafftes Saatgut, landwirtschaftliche Geräte, Getreide und Düngemittel. Er produzierte in eigenen Fabriken Rübenzucker, Spiritus, Schnellessig, handelte mit Zement, mit Wein, auch mit Geld. Sein florierendes Leihhaus versilberte den Kunden ihren Familienschmuck und gewährte ihnen Kredite zu günstigen Konditionen.
    Louis kaufte Ackerland, das er den eigenen Fabriken für den Zuckerrüben-Anbau verpachtete. Er besaß Häuser, Grundstükke, Wirtschaftshöfe, ein Rittergut. Seine Speditionsfirma sorgte für den Transport der Waren von der neuen Eisenbahn zum Abnehmer, in Lagerhäusern stapelten sich die landwirtschaftlichen Produkte zum Verkauf auch jenseits der preußischen Grenzen. Seine Fabriken und Betriebe versah er als einer der ersten mit den neuen Dampfmaschinen, Saat- und Erntegeräten – Louis war ein Technik-Freak. In seinem Privatkontor stand schon 1840 ein Arbeitspult mit eingebauter Kopierpresse, auf die er besonders stolz war, weil er seine vertraulichen Briefe jetzt nicht mehr den Lehrlingen zum Abschreiben überlassen mußte. Louis Klamroth beriet die Landwirte der Gegend über die Vorzüge von »Victoria- oder Riesensaaterbsen (16–18 Berliner Scheffel pro Magdeburger Morgen Ertrag, das weichere, längere Stroh sehr gesundes Futter)« und von »ungarischem Saatmais (hat sich auch in letzter Erndte als für unsere climatischen Verhältnisse am Passendsten erwiesen)«, führte »Rotklee, Schaafsschwingel und Thymotheegras« im Sortiment sowie »englische Rüttelsiebe«.
    In jungen Jahren besuchte Louis seine Geschäftsfreunde in Leipzig und Frankfurt am Main zu Pferde, weil ihm die Schnellpost zu langsam war. Dabei trug er größere Summen Bares in einer um den Leib geschnallten »Geldkatze« mit sich. Ob er auch eine Waffe dabeihatte, ist nicht überliefert, aber das mit den Pferden hat sich in der Familie gehalten. 1861 wurde Louis Klamroth – eigentlich hieß er Wilhelm Ludwig – zum Königlich Preußischen Kommerzienrat ernannt, und als er 20 Jahre später starb, hinterließ er ein fürstliches Vermögen. Ich war beeindruckt, als ich sein mit Ehefrau Bertha gemeinschaftlich verfaßtes Testament in die Finger kriegte. Allein ihre minderjährige Enkelin Martha Löbbecke, deren Mutter im Kindbett gestorben war, bekam 330 000 Mark zugesprochen, das war damals richtig Geld – und Sohn Gustav, der nächste in der Firma, zahlte die Summe in einem Aufwasch aus. Auch seine drei lebenden Geschwister konnte Gustav aus dem väterlichen Erbe entsprechend bedienen, und nirgendwo ist die Rede davon, er oder die Firma seien dabei in die Knie gegangen.
    Gustav wird ausgebildet wie ein Kronprinz – ein Jahr am renommierten Beyerschen Handelsinstitut in Braunschweig, vier Jahre Lehrzeit im Im- und Exportgeschäft derer von Fischer in Bremen, ausgedehnte Hospitanzen bei befreundeten Firmen in London und Paris. Mit 24 Jahren endlich kommt er 1861 als Teilhaber in die Firma. Neue Besen kehren gut, und wie zuvor schon der Vater sorgt jetzt Sohn Gustav für den rasanten Aufschwung des ohnehin stattlichen Unternehmens.
    Gustav bewundert den Chemiker Justus von Liebig, der mit seinem Kunstdünger die Landwirtschaft revolutionierte. Keine drei Jahre in der Firma und viel früher als die zögerliche Konkurrenz beginnt der Junior mit der Herstellung von Superphosphaten, was sehr schnell zu einer äußerst profitablen Düngerfabrik in Nienburg an der Weser führt. Liebig strahlte noch in meine Kindheit hinein: In der Bibliothek der Eltern standen imposante Alben mit Sammelbildchen von Liebigs Fleischextrakt, und was ich weiß über die Artus-Sage oder die Schlacht bei Königgrätz, habe ich aus diesen Fortsetzungsgeschichten.
    Der Krieg von 1866 – Preußen gegen den Rest der deutschen Welt – war in Königgrätz nach knapp vier Wochen entschieden. Kriege dauerten zu der Zeit nicht lange. Zwei, drei große Schlachten – ich stelle mir das vor wie ein Fußballendspiel-Spektakel. Bunte Uniformen, schäumende Pferde, Banner, Fahnen. Auf dem Feldherrenhügel Wilhelm I. und sein ledergesichtiger General Helmuth von Moltke. »Getrennt marschieren, vereint schlagen« war sein Credo: Drei preußische Armeen kamen aus unterschiedlichen Richtungen, zur Verblüffung der Österreicher und der Sachsen.
    Am 3. Juli 1866 geht das los. Die Parteien formieren sich auf freiem Feld – die Stadt Königgrätz war ein ganzes Ende weg vom Getümmel –,

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