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Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Titel: Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wibke Bruhns
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der Fahnenjunker-Ausbildung im Ersten Weltkrieg wie zu Wolf-Heinrich Graf Helldorf und Michael Graf Matuschka, Hans Georg nannte Ewald von Kleist seinen »Onkel«, für Axel von dem Bussche war er ein väterlicher Freund – und Hans Georg hat Freundschaften, Verbindungen, Netzwerke sein Leben lang gepflegt.
    Mehr als 20 der Verschwörer haben bei den Vernehmungen durch die Gestapo und vor Gericht die Judenverfolgung als Grund für ihre Beteiligung angegeben, die »Morde in Polen«, die Behandlung der Kriegsgefangenen sowie der Zivilbevölkerung in den eroberten Gebieten. Doch spielte auch bei ihnen militärische Empörung mit. Diese Offiziere wollten ein zweites Versailles vermeiden, sie opponierten gegen Hitlers Inkompetenz als Oberster Kriegsherr, es ging ihnen um ein erträgliches Kriegsende, nicht um Sühne für untilgbare Schuld. Die Größe Deutschlands, die deutsche Ehre standen auf dem Spiel, diese gottverdammte Fahne, die sie besudelt sahen.
    Die Schweinereien, das waren für die Militärs die der anderen. Die deutsche Wehrmacht war sauber, nicht wahr? Noch Helmut Kohl schwadronierte von dem Unrecht, »das in deutschem Namen begangen worden« sei, als wären die Gremlins gekommen, schwarzweißrote Banner vorne weg, und hätten gemordet, geplündert, vergast, enteignet, verwüstet, als hätten Außerirdische deutsches Blut und deutschen Boden erfunden, »minderwertige« Rassen kurzerhand ausgerottet, hätten »ein Volk, ein Reich, ein Führer« gegrölt und »heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt«.
    Also gut. Hans Georg nicht. Der grölte nicht. Der sang. Aber er machte alles, was er machte, für »eine bessere Zukunft unserer Kinder«. Wo denn? In diesem »Lauselande«, wie er Rußland nennt? Und wieso überhaupt? Es ging den Kindern blendend, ihm auch. Was wollte er denn noch? Es gab eine anständige Familie, eine anständige Firma, anständige Freunde, er selbst ist als ein anständiger Deutscher um die halbe Welt gereist. Ob er zugesehen hat auf seiner Wolke, als ich mit elf in meiner Schule in Stockholm geschnitten wurde von den anderen, die mit einem deutschen Kind nicht spielen durften? Hat er meinen Kummer verstanden, wenn an unserem Weihnachtsbaum keine Nationalfähnchen hängen konnten wie üblich in Dänemark oder Schweden, wo Fahne und Staat kein Grund zum Schämen sind? Ist er bei mir gewesen, als ich Korrespondentin in Israel wurde und mich mühsam gegen mein Land behaupten lernte?
    »Komm, Wibke, jetzt gehen wir zu Vater, uns die Gnade zu holen«, hat meine älteste Schwester mit letzter Entschlossenheit von mir verlangt. Das war unmittelbar vor ihrem Tod 1990. Vier Jahrzehnte lang hatte sie den toten Hans Georg bei Else vertreten, hatte sie geordnet, geglättet, die Sturmschäden im Leben unserer Mutter geflickt und die immer wieder aus dem Ruder laufenden Geschwister auf Kurs gehalten. Sie selbst und was sie hätte werden können waren von den Anforderungen dieser Familie zugeschüttet worden. Jetzt wollte sie, daß der übermächtige Hans Georg, der gemordete Vater ihr die Absolution erteilt.
    Wie bitte?! Um sicherzugehen, habe ich nachgefragt: ob sie den Herrgott meine oder tatsächlich den Vater. Doch. Den wollte sie. Seine Gnade. Gütiger Gott, oder wer auch immer, ich danke dir, daß ich das nicht muß. Ich kann den Vater betrachten, ich kann versuchen, ihn zu verstehen, vielleicht kann ich ihn lieben, und ich würde ihn gern trösten. Ich habe Glück gehabt.
    Einfach Glück war es schließlich, daß ich mich nie entscheiden mußte. Mir hat man keine Jungmädel-Uniform angezogen. Das einzige, was ich aushalten mußte, waren diese gräßlichen Rotkäppchen-Kleider, die nach Kriegsende aus den Hakenkreuzfahnen genäht wurden. Ich habe mich nie etwas trauen müssen, wenn ich denn dagegen gewesen wäre. Wäre ich? Eine ganze Generation hat mir etwas vorgelebt, was in meinem Leben niemals stattfinden durfte. Das Erbe all dieser Väter war auszuschlagen. Ich bin der kollektiven Hörigkeit entkommen. Die große Schwester nicht. Empörtes Mitgefühl überfällt mich beim Lesen ihrer Tagebücher. Im November 1944 schreibt sie, da ist sie 21: »Ich kann nicht von ihm lassen und von meinem Glauben an ihn, dem ich gedient habe und dienen wollte mein Leben lang. So sehr gehöre ich dem an, der meinen Vater gemordet hat, daß noch kein klarer Gedanke gegen ihn aufzustehen gewagt hat.« Und wenig später: »Mein Führer, ich war eine der Treuesten. Noch bin ich nicht los von Dir,

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