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Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Kloeble
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wenn man von einer Reise nach Angkor oder ins Outback zurückkehrte,dann hatte man nicht nur zu sich selbst gefunden, sondern auch eine Vorstellung davon, wohin man gehörte und was man mit seinem Leben anfangen wollte. Angeblich. Albert   – der noch nie verstanden hatte, weshalb manche Leute annahmen, dass Antworten, die nicht einmal in nächster Umgebung zu finden waren, in der Ferne warten würden   – hatte sich entschieden, bei Fred einzuziehen. Was er sich davon erwartete, wusste er auch noch nicht, als er an diesem Nachmittag vor Freds Haus stand, er wusste nur: Was auch immer es war, ihnen blieb wenig Zeit dafür.
    Noch drei Finger übrig, dachte Albert und klingelte, senkte den Kopf, packte die Griffe seiner Koffer und stand regungslos da. Die Hitze drückte ihm gegen den Schädel. An diesen Sommer würde man sich noch lange erinnern. Entgegen allen Prognosen verweigerte er bereits seit Wochen ein Gewitter. Der Rasen in Freds Garten war rostbraun, selbst das Zirpen der Grillen wirkte kraftlos, und die flirrende Hitze auf der Hauptstraße vor dem Grundstück spielte Alberts Augen Streiche.

Ambrosisch!
     
    Jetzt öffnete sich die Tür und auf dem Treppenabsatz erschien ein schlaksiger Zweimeterriese, der verlegen den Kopf neigte.
    Sie starrten sich an.
    »Albert!«, rief Fred mit seiner hellen Stimme, und ehe Albert wusste, wie ihm geschah, wurde er hochgehoben und fest gegen Freds knochige Brust gedrückt.
    »Hallo, Fred.«
    »Du bist dick, Albert!«
    »Danke«, sagte Albert und musterte ihn, aber er war sich, wie so oft, nicht sicher, ob Fred bewusst war, was er von sich gab. Albert kannte ihn gut genug, um zu spüren, dass er ihn gar nicht kannte. Zumindest in der Hinsicht schien er wie jeder andere Vater.
    Abgesehen davon musste Albert sich eingestehen, dass Fred nicht ganz unrecht hatte. Nach einer Dusche wickelte er sich das Handtuch normalerweise so um den Körper, dass er seinen Bauch nicht sehen musste, wenn er vor den Spiegel trat. Woher der zusätzliche Speck gekommen war, konnte er sich selbst nicht erklären. Seiner Auffassung nach aß und trank er nicht mehr als andere Menschen. Vermutlich bewegte er sich nicht genug; regelmäßiges Joggen, Walken oder wenigstens Spazierengehen würde ihm, wie man so sagte, »guttun«. Aber die Vorstellung von Bewegung nur um der Bewegung willen wirkte nicht besonders attraktiv auf ihn.
    »Sind wieder Ferien?«, fragte Fred.
    »Nein, diesmal nicht. Diesmal bleibe ich länger.«
    Fred sah ihn hoffnungsvoll an. »Bis wann?«
    »Bis   …«, Albert wich seinem Blick aus, »solange es geht.«
    »Solange es geht kann lang sein!«, rief Fred fröhlich und klatschte in die Hände. »Das ist ambrosisch!«
    »Ja. Ist schön.«
    »Das ist
ambrosisch
!« Tadelnd hob Fred den Zeigefinger. »Du musst mehr Lexikon lesen, Albert.«
    Lesen
stand bei Fred in keinem Verhältnis zum
Verstehen
; selten merkte er sich über den Klang hinaus auch die Bedeutung der Wörter, die er mithilfe des Zeigefingers las. Und selbst wenn, meist verschwanden sie so plötzlich aus seinemGedächtnis, wie eine Seifenblase platzen kann. Mit Ausnahme seiner Lieblingsvokabel.
    Fred riss Albert die Koffer aus der Hand und marschierte ins Haus. Albert folgte ihm. In der Diele blieb er stehen. Obwohl der zuckrige Duft von Freds Zuhause ihn in all den Jahren bei jeder Ankunft begrüßte, überraschte er ihn doch jedes Mal.
    »Albert?« Fred drehte sich zu ihm um. »Bist du schwach?«
    »Nein«, Albert atmete tief ein, »es geht schon.«
    Albert hängte seine Jacke an einen Kleiderhaken neben Freds königsblauen Poncho, in dessen Kragen eine kindliche Handschrift warnte:
Das gehört Frederick Arkadiusz Driajes!
Derselbe Name klebte auch neben seinem Klingelschild. Niemand redete ihn mit seinem vollständigen Namen an. Vielleicht, weil keiner wusste, wie man ihn aussprach. Natürlich gab es in Königsdorf ein paar Einfaltspinsel, die andauernd beim Gasthof
Hofherr
im Biergarten herumhingen, eine Hand am Weißbierglas, behaupteten, er sei langsam im Kopf, und ihn
Freddie-bist-du-deppert?
riefen. Aber für die meisten war er einfach Fred, mit gedehntem e, der Held vom Busunglück ’77, der den halben Tag an Königsdorfs einziger Bushaltestelle verbrachte, um alle vorbeifahrenden Autos auf der Hauptstraße zu zählen und die Fahrer zu grüßen.
    Als Fred die Koffer vor der Treppe abstellte und ins verdunkelte, kühle Wohnzimmer vorausging, spürte Albert ein Déjà-vu auf sich zukommen, genauer gesagt:

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