Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)
neben der Liege. Er fragt Albert, ob es ihm gut geht, weil Albert total müde aussieht. Albert hört ihm nicht zu. Albert will das Telefon holen und einen Arzt rufen. Aber er sagt Albert, dass er keinen Arzt braucht, er sagt ihm, es tut ihm schon ein bisschen leid, dass er Albert allein lassen muss und dass Albert noch so viele Finger hat. Aber er sagt ihm auch, dass meistens alles sehr schnell vorbei ist. Albert muss bestimmt gar nicht so lang leben, wie er denkt. Er kann ja noch ein Vanilleeis essen. Und Schwester Alfonsa besuchen. Und auch mal weg aus Königsdorf gehen, irgendwohin, weil er ja jetzt das Gold hat. Und dann wird er schon viel schneller tot sein. Albert schaut ihn ganz lang an, er macht die Augen gar nicht zu. Auf der Hauptstraße fährt kein Auto. Es ist so leise, wie wenn niemand sonst in Königsdorf lebt. Albert weint ein bisschen, er sagt, es muss noch nicht passieren. Aber das stimmt nicht, sagt er, es muss passieren! Albert meint, bestimmt hat er noch ein paar Finger mehr. Erweiß nicht, ob das stimmt, weil, er hatte jetzt schon viel mehr, sieben Finger mehr, als der Arzt ihm gezeigt hat. Das waren insgesamt genau zwölf Finger. Also mehr als ein normaler Mensch Finger hat. Aber wenn er wirklich noch mehr Finger hat, erklärt er Albert, dann will er auch Pfannkuchen mit Himbeermarmelade essen. Und Albert nimmt seine Hände und hält sie, hält sie ganz schön fest, und verspricht ihm, dass er ihm so viele Pfannkuchen machen wird, wie er will. Und dann weint Albert schon wieder! Das Kitzeln kommt jetzt in seine Arme und Beine und in seinen Kopf. Es ist stark, es tut ein bisschen weh. Aber er lässt es wachsen. Er will nicht noch länger auf seinen schwanenweißen Grabstein warten müssen, ganz nah bei dem roten Baum. Dafür freut er sich schon zu sehr darauf. Von dort wird er den Kirchturm sehen können, und das Moor, und den Himmel. Und er wird Albert und Klondi sehen können, und vielleicht auch Violet, und Schwester Alfonsa, und Julius. Sie werden ihn besuchen und ihm erzählen, wie sie die Welt schieben, oder wie sie von ihr geschoben werden. Und er weiß, er weiß ganz bestimmt, das wird sehr ambrosisch.
Danksagung
Es ist kein Geheimnis, dass ein Buch, obwohl man alleine schreibt, nie von einer Person allein geschrieben wird. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die mir geholfen haben, aus einer Geschichte einen Liebsten Besitz zu machen. Besonderer Dank geht an:
Carolina Franzen, für lange Spaziergänge mit einem uneinsichtigen Autor in Sandymount – und ebenso dafür, Fred an der Hand zu führen.
Anna, Antje und Til, dass ich von ihnen lernen durfte, was ein Liebster Besitz ist.
Günther Opitz, ohne dessen Vertrauen und Türaufhalten »Alfred« ihr Ziel nie erreicht hätten.
Julia Eichhorn, weil sie an die Geschichte von Anfang an glaubte.
Saskya Jain, die mir mit ihren Superkräften unermüdlich zur Seite stand.
Kathleen Anderson, für einen Nachmittag voller Ideen in »the Village«.
Den Freunden aus Buschow.
Als ich in den neunziger Jahren in Königsdorf lebte und Schüler des Gymnasiums in Bad Tölz war, musste ich jeden Morgen den Bus nehmen. In dieser Zeit fiel mir erstmals jener großgewachsene, bärtige Mann auf, der Autos grüßte. Das scheint so lange her zu sein, und doch erinnere ich mich gut an die fast ergreifende Überzeugung, mit der er seinen Arm ausstreckte, die Finger spreizte, das herankommende Fahrzeug fixierte und einmal kurz die Hand schüttelte. Im Nachhinein kommt es mir vor, als hätte er mir gewunken, als hätte er sagen wollen: »Ich bin hier! Ich hab was zu erzählen! Sprich mich an!«
Dir, Fred, gilt mein größter Dank.
C. K.
Informationen zum Buch
Albert ist neunzehn, wuchs im Heim auf und kennt seine Mutter nicht. Sein Leben lang musste Albert ein Vater für seinen Vater Fred sein: Fred ist ein Kind im Rentenalter, ein schlaksiger Zweimeterriese, der nichts als Lexika liest, grüne Autos zählt und im Dorf als Held eines dramatischen Busunglücks gilt. Als sich herausstellt, dass Fred nur noch fünf Monate zu leben hat, machen sie sich auf die Suche nach Alberts Mutter. Ihre Reise wird zu einer Odyssee, die immer tiefer in die Vergangenheit führt.
Albert muss herausfinden, dass die Menschen, die ihm am nächsten stehen, am meisten zu verbergen haben, und dass die Vergangenheit in der Erinnerung immer wahr ist. Es entspinnt sich eine Lebens- und Liebesgeschichte, die in einer Augustnacht 1912 im
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