Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
gegenüber. Meister Antifer und Zambuco wichen nicht mehr vom Vordertheile. Saouk, der sich etwas vergaß, konnte seine Ungeduld nicht mehr bezwingen und rechtfertigte durch sein Verhalten Juhels Verdacht nur noch weiter. Die drei Männer verschlangen das erste dieser Eilande geradezu mit den Augen, als erwarteten sie, aus seiner Seite eine Garbe von Millionen wie aus einem goldnen Krater hervorbrechen zu sehen.
Hätten sie freilich gewußt, daß das Eiland, in dessen Eingeweiden Kamylk-Pascha seinen Schatz verborgen hatte, aus nacktem, baum-und strauchlosem Felsgestein bestand, so würden sie jedenfalls gerufen haben:
»Nein!… Das hier ist es noch nicht!«
Seit 1831, d. h. im Laufe von einundreißig Jahren, konnte die Natur genanntes Eiland freilich längst mit dichtem Grün bedeckt haben.
Friedlich, die Segel vom leisen Abendwinde kaum geschwellt, glitt das Fahrzeug neben ihm hin, um seine Nordspitze zu umschiffen. Schlief die Brise ganz ein, so sah man sich genöthigt, Anker zu werfen und den Tag abzuwarten.
Da ließ sich plötzlich neben dem Frachtschiffer, der auf der Regeling des Steuerbords lehnte, ein klagendes Seufzen vernehmen.
Gildas Tregomain drehte sich um.
Das Seufzen rührte von Ben Omar her.
Der Notar ist bleich, bläulich im Gesicht, seine Lippen zucken… er ist seekrank.
Bei einem so ruhigen Wetter, so spiegelglatten Wasser?
Ja, und es ist fast kein Wunder zu nennen, daß das arme Männchen jämmerlich erkrankt ist.
Das Fahrzeug ist nämlich in unangenehmes und ganz unerklärliches Rollen gekommen, d.h. es schwankt von einer Langseite zur andern fühlbar auf und ab.
Die Mannschaft rennt nach vorn… nach hinten. Der Kapitän Barroso läuft herzu.
»Was giebt es denn? fragt Juhel.
– Was ist denn los?« fragt Tregomain.
Handelt es sich um eine unterseeische Eruption, deren Stöße die »Portalegre« zum kentern zu bringen drohen?…
Doch weder Meister Antifer, noch Zambuco oder Saoukscheinen überhaupt etwas zu bemerken.
»Ah… die Elephanten!« ruft Juhel.
Richtig, die Elephanten waren’s, die dieses Rollen erzeugten. Durch eine unerklärliche Laune sind sie darauf verfallen, sich abwechselnd auf die Vorder-und auf die Hinterbeine zu stellen. Dadurch bringen sie das Schiff in furchtbares Schwanken, das ihnen zu gefallen scheint, wie dem Eichhörnchen sein Rundlauf im Rollkäfig. Doch welche Eichhörnchen, diese riesigen Dickhäuter!
Das Rollen wird immer stärker, die Regeling taucht ins Wasser, das Fahrzeug droht sich einmal über Back-und dann wieder über Steuerbord mit Wasser anzufüllen….
Barroso stürzt mit einigen seiner Leute in den Laderaum. Sie versuchen die tollen Thiere zu beruhigen.
Vergebens. Den Rüssel schwingend, mit den Ohren klappend und mit dem Schweif wedelnd, schaukeln sich die Elephanten lustig weiter, die »Portalegre« rollt… rollt… rollt und das Wasser rauscht im Schwall über Bord.
Jetzt dauerte es nicht lange: Binnen zehn Minuten hatte das Meer den Laderaum gefüllt und das Küstenschiff sank unter, während allmählich das Geschrei der unklugen Rüsselthiere verstummte.
Neuntes Capitel.
Worin Meister Antifer und Zambuco erklären, daß sie das ihnen als Zufluchtsstätte dienende Eiland vor gründlicher Durchsuchung desselben nicht verlassen werden.
»Endlich!… Nun hab’ ich doch einmal Schiffbruch gelitten!« konnte der Exkapitän der »Charmante Amélie« am andern Morgen rufen.
Seit dem Vorabend und nach dem Versinken ihres Fahrzeuges auf den dreißig bis vierzig Meter tiefen Grund der Bai von Ma-Yumba, diente das Eiland, auf das sie zugefahren waren, den Schiffbrüchigen von der »Portalegre« als Zufluchtsort. Niemand war bei der so unerwarteten Katastrophe ums Leben gekommen. Einander unterstützend, wobei Meister Antifer den Banquier Zambuco und Saouk Ben Omar über Wasser hielt, hatten alle, eine kleine Strecke schwimmend, die Uferfelsen des Eilands glücklich erreicht. Nur die Elephanten waren in einem Elemente, wofür die Natur sie nicht geschaffen hat, kläglich umgekommen. Sie hatten sich ja eigentlich selbst ersäuft. Einen Küstenfahrer darf man nicht zur Wiege machen wollen.
Der erste Angstschrei, den Meister Antifer auf dem Eilande stehend ausstieß, war:
»Und unsre Instrumente… unsre Seekarten?…«
Sie versuchen die tollen Thiere zu beruhigen. (S. 294.)
Leider – und das war ein unersetzlicher Verlust – waren weder Sextant und Chronometer, noch Atlas und »Zeitablesungsbuch« gerettet worden. Das
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