Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Unglück vollzog sich ja in wenigen Secunden. Zum Glück trugen der Banquier und der Notar einer-und der Frachtschiffer anderseits hinreichend Reisegeld im Gürtel so daß die Schiffbrüchigen wenigstens nach dieser Seite nicht in Verlegenheit kamen.
Die Schiffbrüchigen lagen rings um das Feuer. (S. 301.)
Gildas Tregomain hatte übrigens keine Schwierigkeit gehabt, sich über Wasser zu halten, da das durch sein Volumen verdrängte Wassergewicht das seines Körpers übertraf, und einfach dem leichten Wellengange nachgebend, war er, wie ein verirrter Wal, auf gelblichem Sande gestrandet.
Sich zu trocknen, war hier ja leicht genug. Nachdem die Kleider eine halbe Stunde lang der Sonne ausgesetzt gewesen waren, konnte man sie rein »gedörrt« wieder anlegen.
Während der immerhin unangenehmen Nacht unter den Bäumen gab sich jeder seinen eignen Gedanken hin. Daß man sich in der Gegend befand, wo das im letzten Document genau bezeichnete Eiland lag, darüber konnte ja kein Zweifel aufkommen. Doch wie sollte man den mathematischen Punkt bestimmen, wo die Parallele 3°17’ und der Meridian 7°23’ östlich von Paris sich kreuzten, jetzt, wo Juhel, des Sextanten und des Chronometers beraubt, kein Besteck zu machen vermochte?
Je nach Charakter und innerem Bestreben sagte sich nun jede dieser Persönlichkeiten:
Zambuco:
»Das heißt aber im Hafen stranden.«
Meister Antifer:
»Ich weiche keinen Schritt, eh’ ich nicht alle Eilande der Ma-Yumbabai abgesucht habe, und sollt’ es zehn Jahre meines Lebens kosten!«
Saouk:
»Der Streich war so gut ausgedacht, und nun scheitert er an diesem albernen Schiffbruche!«
Barroso:
»Und meine Elephanten, die nicht versichert waren!«
Ben Omar:
»Allah beschütze uns! Das ist aber eine Provision, die mir theuer genug zu stehen gekommen ist, wenn ich sie überhaupt noch einstreiche!«
Juhel:
»Und jetzt soll mich nichts mehr abhalten, nach Europa zu meiner geliebten Enogate zurückzukehren!«
Gildas Tregomain:
»Nie darf man sich auf so eine Schute mit einer Ladung lustiger Elephanten einschiffen!«
In der Nacht kam es wenig zum schlafen; nicht daß die Schiffbrüchigen von Kälte zu leiden gehabt hätten, sie sorgten sich aber darum, wie sie am nächsten Morgen die Bedürfnisse des Magens befriedigen könnten, wenn die Bäume hier nicht gerade Früchte tragende Cocospalmen waren, die ihnen, mangels etwas besseren, einige Nahrung bieten konnten, bis sie nach Ma-Yumba selbst kamen. Doch wie konnten sie dahin gelangen, da diese Ortschaft noch über fünf Meilen von ihnen lag? – Nothsignale geben?… Würden diese bemerkt werden?… Fünf Meilen weit schwimmen?… Sollte das einem aus der Mannschaft der »Portalegre« möglich sein?… Nun, wenn erst der Tag graute, sollte Rath werden.
Nichts deutete darauf hin, daß das Eiland bewohnt wäre – natürlich von Menschen. An andern lärmenden, unbequemen, durch ihre Zahl vielleicht gar gefährlichen lebenden Wesen fehlte es dagegen nicht. Gildas Tregomain meinte, hier müßten sich sämmtliche Affen der Erde ein Stelldichein gegeben haben. Man befand sich hier wirklich in der Hauptstadt des Königreiches Jockos… in Jockolien?
Und obgleich die Luft still war und die Brandung kaum hörbar ans Ufer schlug, hätten unsre Schiffbrüchigen doch nicht schlafen können, denn das Stillschweigen wurde plötzlich recht peinlich unterbrochen.
In den Bäumen entstand nämlich ein eigenthümliches Geräusch. Es klang wie Trommelwirbeln von congolesischen Soldaten. In den Aesten und Zweigen hörte man ein Hin-und Herspringen unter heiserem Geschrei von erschreckten Wachposten. Bei der nächtlichen Finsterniß war freilich nichts zu sehen.
Als der Tag kam, wurde man sich über die Sache klar. Das Eiland diente einem Volke von Vierhändern, großen Schimpansen, als Aufenthalt, von deren Streichen der Franzose du Chaitbu, als er auf sie Jagd machte, so mancherlei berichtet.
Und obgleich sie ihm den Schlummer raubten, konnte Gildas Tregomain nicht umhin, diesen prächtigen Vertretern der Anthropoïden seine Bewunderung zu zollen. Es waren das nämlich jene Jockos Buffon’s, die da fähig sind, manche sonst nur der menschlichen Intelligenz vorbehaltene Arbeiten auszuführen, und die auch fast menschliche Hände haben. Dabei sind sie groß und stark, zeigen sehr wenig ausgeprägten Prognatismus des Schädels und haben fast normal geschwungene Augenbrauen. Das trommelähnliche Geräusch erzeugen sie dadurch, daß sie die
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