Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
endlich, der nicht den winzigsten Diamanten bekommen hatte, obgleich auch die letzte Mittheilung seine fernere Mitwirkung zur Bedingung machte, stand mit schlaffen Gesichtszügen, herabhängenden und halb geknickten Knien dabei, wie ein fast ausgeleerter Sack, der gleich vollends zusammensinken soll.
Saouk und er befanden sich zwar nicht in derselben Lage, wie: Erstens, als sie Saint-Malo verlassen hatten, ohne zu wissen, daß sie nach Mascat reisen sollten, zweitens, als sie Mascat verließen, ohne zu wissen, daß sie sich nach Loango begeben müßten. Von bedauerlicher Erregung übermannt, hatte Meister Antifer ein Geheimniß preisgegeben, das er hätte sorgsam bewahren sollen. Alle hatten ihn die neue Längenangabe: fünfzehn Grad elf Minuten östlich von Paris, verkündigen hören, alle kannten den Namen des Herrn Tyrcomel, Esquire, wohnhaft in Edinburg, Schottland….
Wenn auch nicht Ben Omar, so hatte doch Saouk diese Zahlen und diese Adresse seinem Gedächtniß sicherlich fest eingeprägt, um sie baldigst in sein Notizbuch einzuschreiben. Meister Antifer und der Banquier Zambuco achteten aber gewiß auch darauf, weder den Notar oder den schnurrbärtigen Schreiber aus den Augen zu verlieren, noch sich von ihnen in der zweiten Hauptstadt Großbritanniens den Rang ablaufen zu lassen.
Saouk mochte ja, bei der ihm mangelnden Kenntniß des Französischen, nichts verstanden haben, dagegen durfte als ausgemacht gelten, daß Ben Omar ihm jenes Geheimniß verrathen würde.
Juhel hatte indeß recht wohl bemerkt, wie Nazim ordentlich befriedigt aussah, als die Zahlen der Länge und der Name Tyrcomel den Lippen des Meister Antifer so unkluger Weise entschlüpften.
Immerhin erschien es ihm als sinnlos, sich noch ein drittes Mal den posthumen Launen Kamylk-Paschas zu fügen. Jetzt galt es nur noch, nach Loango zurückzukehren und das erste Passagierschiff zu benutzen, um wieder nach der guten Stadt Saint-Malo zu gelangen.
Dahin zielte der weise und logische Vorschlag, den Juhel seinem Onkel machte.
»Nimmermehr! antwortete Meister Antifer. Der Pascha schickt uns nach Schottland, und wir gehen dahin, müßt’ ich auch den Rest meines Lebens an weitere Nachforschungen setzen….
– Meine Schwester Talisma liebt Sie zu innig, um nicht – wenn’s sein müßte – auch zehn Jahre lang zu warten! setzte der Banquier hinzu.
– Sapperment! dachte der Frachtschiffer, da steuert das Mägdlein aber stark auf die Sechzig zu!«
Alle Einwendungen blieben unnütz. Meister Antifer hatte seinen Entschluß gefaßt: er wollte dem Schatze nachjagen, damit punktum! – ob sich der Nachlaß des reichen Aegypters auch statt auf die Hälfte, nun auf ein Drittel davon vermindert hatte, wenn jenem Tyrcomel auch ein gleicher Antheil zukam….
Gut, so würde sich Enogate begnügen, einen Grafen, und Juhel eine Gräfin zum Altare zu begleiten.
Fußnoten
1 Der amerikanische Naturforscher Garner hatte die Affensprache an Ort und Stelle studiert und es über sich gebracht, einige Monate in den Wäldern von Guinea ganz in der Art und Weise der Affen zu verleben.
Elftes Capitel.
Worin Meister Antifer und seine Genossen einer Predigt des Reverend Tyrcomel beiwohnen, die ihnen ganz und gar nicht gefällt.
»Ja, geliebte Brüder, ja, geliebte Schwestern, der Besitz von Reichthümern führt nothwendig zum Mißbrauch derselben! Er ist der hauptsächlichste, um nicht zu sagen, der einzige Grund aller Uebel, die diese Erde belasten. Der Durst nach Gold muß die bedauerlichsten Seelenverirrungen zur Folge haben! Denkt Euch, in dem Herrn geliebte Zuhörer, eine Gesellschaft, in der es weder Reiche noch Arme gäbe. Wie viel Unglück und Sorge, Trauer und Kummer, wie viel Betrübniß, Enttäuschung, wie viel Jammer und Noth würde dem Geschlechte der Menschen erspart bleiben!«
Der zungenfertige Clergyman hatte sich zum Gipfel der Beredtsamkeit emporgeschwungen, als er diesen Haufen von Synonymen, die noch immer kaum ausreichten, alles irdische Elend zu bezeichnen, so schnell aufstapelte. Er hätte noch manche andre auf diesem Redestrom loslassen können, den er von der Höhe der Kanzel über die Köpfe seiner Zuhörer niederrauschen ließ. So konnte man ihm fast dankbar sein, daß er sich eine weise Beschränkung auferlegte.
Es war am Abend des 25. Juni in der Tron Church, von der ein Theil zur Verbreiterung der High street abgebrochen worden war, wo der Reverend Tyrcomel, von der »Freien schottischen Kirche« vor einer durch seine schweren
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